Chicagoland Vampires - Verbotene Bisse

von: Chloe Neill

LYX, 2011

ISBN: 9783802586989 , 448 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Chicagoland Vampires - Verbotene Bisse


 

 

 

Kapitel Eins

Ich ziehe aus

Ende Mai

Chicago, Illinois

»Höher, Merit. Der Tritt muss höher kommen. Ja, ja. Besser.«

Ich trat erneut zu, diesmal höher, und versuchte daran zu denken, mein Inneres anzuspannen, die Zehen zu strecken und »Jazz Hands« zu machen, also hektisch mit den Händen zu wackeln, wie es unsere Trainerin unaufhörlich verlangte.

Meine beste Freundin und baldige Nicht-mehr-Mitbewohnerin Mallory führte neben mir einen Tritt aus, aber sie brachte noch weniger Begeisterung als ich dafür auf. Anders konnte ich mir ihr Knurren nicht erklären, das so gar nicht zu den kurzen blauen Haaren und dem geradezu klassisch schönen Gesicht passte, aber sie schien sauer genug, um es überzeugend klingen zu lassen.

»Kannst du mir bitte noch mal erklären, warum du mich hierher geschleift hast?«, fragte sie.

Unsere Trainerin, eine vollbusige Blondine mit leuchtend rosafarbenen Fingernägeln und unvorstellbar hohen Wangenknochen, klatschte in die Hände, sodass ihre Brüste wackelten. Es war unmöglich, sie nicht anzustarren.

»Mehr Leidenschaft, meine Damen! Wir wollen alle Blicke auf uns ziehen! Bewegen Sie sich!«

Mallory warf unserer Trainerin, der wir den Spitznamen »Aerobic-Barbie« verpasst hatten, einen hasserfüllten Blick zu, ballte die Hände zu Fäusten und machte einen Schritt auf sie zu. Unser Ziel war es, bald wieder in enge Jeans zu passen, aber wenn Mallory die Frau zu Brei verarbeitete, hatten wir unser Geld umsonst ausgegeben. Daher hielt ich sie sicherheitshalber fest.

»Ruhig, mein Blauer«, ermahnte ich sie und setzte meine Vampirkräfte ein, die ich erst seit knapp zwei Monaten besaß. Mallory murrte unzufrieden mit hoch erhobenen Fäusten, gab sich aber geschlagen.

Eins zu null für die junge Vampirin, dachte ich nur.

»Was hältst du davon, ihr eine Abreibung zu verpassen?«, fragte sie und blies sich eine schweißnasse blaue Strähne aus dem Gesicht.

Ich schüttelte den Kopf, ließ sie aber los. »Du wirst zu viel Aufmerksamkeit erregen, wenn du die Trainerin zusammenschlägst. Aufmerksamkeit, die du nicht brauchen kannst. Denk an das, was Catcher dir gesagt hat.«

Catcher war Mallorys schroffer Freund. Und obwohl mein Hinweis kein Knurren zur Folge hatte, so fletschte sie doch verächtlich die Zähne und sah mich aus schmalen Augen an. Catcher liebte Mallory, und Mallory liebte Catcher. Aber das bedeutete nicht, dass sie ihn rund um die Uhr bedingungslos liebte, vor allem nicht, seitdem sich über unserem Haus in Chicago ein Wirbelsturm übernatürlicher Kräfte entlud. Ich war gegen meinen Willen zur Vampirin gemacht worden, und Mallory hatte feststellen müssen, dass sie eine angehende Hexenmeisterin war: magische Zauberkräfte, schwarze Katzen, die größeren und kleineren Schlüssel (die verschiedenen Ebenen der Magie). Und das alles innerhalb einer Woche.

Kurz gesagt, die ersten paar Wochen als Vampir waren ungewöhnlich hektisch. Wie Schatten der Leidenschaft, nur mit eher toten Wesen.

Mallory musste sich noch an den Gedanken gewöhnen, selbst der Mittelpunkt übernatürlichen Chaos zu sein. Daher wachte Catcher, der schon genug Schwierigkeiten mit dem Orden hatte (der Hexenmeister-Gewerkschaft), streng über Vorführungen ihrer magischen Kräfte, was Mallory aufs Übernatürlichste frustrierte.

Verdammt noch mal, wir waren beide aufs Übernatürlichste frustriert, aber Mallory hatte keine Fangzähne und auch keinen großspurigen Meistervampir, mit dem sie sich hätte auseinandersetzen müssen.

Führte man sich also die bedauerlichen Umstände unserer Existenz vor Augen, warum ließen wir es dann zu, dass Aerobic-Barbie uns dazu brachte, unsere Hände wie wild zu schütteln?

Einfach ausgedrückt: Wir wollten einige schöne Stunden gemeinsam verbringen, ich und meine beste Freundin.

Damit war es nämlich bald vorbei – ich zog bei ihr aus.

»Okay«, fuhr Barbie fort, »packen wir noch die Kombination dazu, die wir letzte Woche gelernt haben. Eins, zwei und drei und vier und fünf, sechs und sieben und acht.« Der basslastige Beat dröhnte immer lauter, während sie sich im Rhythmus bewegte. Wir kopierten sie, so gut wir konnten, wobei Mallory es schwerer fiel, sich nicht selbst auf die Füße zu treten. Die Tatsache, dass ich jahrelang Ballettunterricht gehabt hatte – und als Vampirin viel schneller geworden war –, half mir jetzt weiter. Und das ungeachtet der Demütigung, dass eine achtundzwanzigjährige Vampirin mit den Händen herumfuchteln musste.

Barbies mitreißende Begeisterung war eine Sache, aber dass wir in einer Hip-Hop-Stunde wie beim Jazzdance mit den Händen wackeln mussten, sprach dann nicht so sehr für ihre Qualifikation. Immerhin war dieser Unterricht eine Verbesserung zu meinem sonstigen Training. Das war nämlich wirklich anstrengend, weil ich vor zwei Monaten zur Hüterin meines Hauses ernannt worden war.

Langer Rede kurzer Sinn: Die amerikanischen Vampire waren in Häuser untergliedert. In Chicago gab es drei, und ich war in das zweitälteste dieser Häuser aufgenommen worden – Cadogan. Aufgrund meines persönlichen Hintergrunds (Stichwort Doktorandin und höfischer Roman) war es für alle eine ziemliche Überraschung, als ich zur Hüterin ernannt wurde. Obwohl ich mich noch immer durch die Grundlagen kämpfte, bedeutete meine Aufgabe als Hüterin, dass ich als eine Art Vampirwächterin arbeitete. (Wie sich herausstellte, war ich nicht nur ein ziemlich durchgeknallter Mensch, sondern auch eine verdammt starke Vampirin.) Hüterin zu sein bedeutete vor allem Training, und obwohl die amerikanischen Vampire schwarzen Samt und Rüschen gegen Armani und iPhones getauscht hatten, waren sie doch bei einigen Dingen ziemlich konservativ – einiges erinnerte durchaus noch an das mittelalterliche Lehnswesen –, und das betraf auch die Wahl ihrer Waffen. Alles zusammengenommen bedeutete das für mich, dass ich lernte, das mir geschenkte uralte Katana zur Verteidigung Cadogans und seiner Vampire einzusetzen.

Zufälligerweise war Catcher ein Experte für den zweiten der vier Schlüssel – Waffen –, und man hatte ihn daher darum gebeten, mir den Kampfstil der Vampire beizubringen. Für mein Selbstvertrauen war das Training mit Catcher allerdings nicht gerade förderlich.

Aerobic-Barbie steigerte sich in eine Hip-Hop-Ekstase und führte die Anwesenden zur letzten, komplexen Schrittkombination, die uns am Ende alle ziemlich schlecht gelaunt in die Wandspiegel des Tanzstudios starren ließ. Zum Abschluss klatschte sie in die Hände und wies auf weitere Unterrichtsstunden hin, zu denen man mich und Mallory nur unter Anwendung von Gewalt hätte zwingen können.

»Nie wieder, Merit«, sagte Mallory und ging in die Ecke, wo sie vor der Stunde ihre Tasche und Wasserflasche abgestellt hatte. Ich war ganz ihrer Meinung. Ich liebte Tanzen über alles, aber Barbies gutgelaunte Anweisungen und ihre ständig hüpfenden Brüste bedeuteten in der Summe zu wenig Tanz und zu viel Ausschnitt. Meine Tanzlehrerin musste ich respektieren können. Respekt war nicht gerade das Gefühl, das Barbie in mir weckte.

Wir setzten uns auf den Boden, um uns auf unsere Rückkehr in die wirkliche Welt vorzubereiten.

»Also, Fräulein Vampir. Schon nervös wegen deines Umzugs ins Haus?«, fragte Mallory.

Ich sah mich im Raum um, da ich mir nicht ganz sicher war, wie viel ich in der Öffentlichkeit über mein Dasein als Vampir preisgeben konnte. Die Vampire von Chicagoland hatten ihre Existenz vor etwa zehn Monaten bekannt gegeben, und die Menschen, wie man sich sicherlich vorstellen konnte, waren nicht besonders erfreut darüber gewesen. Aufstände. Panik. Anhörungen vor dem Kongress. Und dann wurden die drei Häuser Chicagos auch noch in die Untersuchung zweier Morde hineingezogen – Morde, die angeblich von Mitgliedern der Häuser Cadogan und Grey, dem jüngsten der Häuser, begangen worden waren. Den Meistern dieser Häuser, Ethan Sullivan und Scott Grey, graute es vor zu viel Aufmerksamkeit.

Aber der Meister des dritten Hauses (mit Namen Navarre) war hinterhältig, manipulativ und für die Morde verantwortlich. Er war eine Sie, zum Sterben schön (kein Wortspiel beabsichtigt). Sie hätte genauso gut auch der Vogue entsprungen sein können.

Dunkle Haare und blaue Augen (genau wie ich), gepaart mit einer Überheblichkeit, die jeden Prominenten und Sektenführer beschämen würde.

Celina Desaulniers verzauberte die Menschen, faszinierte sie.

Ihre Schönheit, ihr Stil und ihre Fähigkeit, alle in ihrer Nähe psychisch zu manipulieren, fügten sich zu einer unwiderstehlichen Kombination zusammen. Die Menschen wollten mehr über sie wissen, mehr von ihr sehen, mehr von ihr hören.

Dass sie für den Tod zweier Menschen verantwortlich war – Morde, die sie geplant und gestanden hatte –, hatte der...