Sehnsucht der Dunkelheit

von: Kresley Cole

LYX, 2012

ISBN: 9783802590153 , 450 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Sehnsucht der Dunkelheit


 

1

Dämonenebene Oblivion, Stadt: Ash

Im Jahr 192 der Herrschaft der Toten

»Gehen wir unserem Tod entgegen oder Schlimmerem?«

Malkom Slaine sah zu seinem besten Freund hinüber, Prinz Kallen dem Gerechten. Er wünschte, er hätte eine bessere Antwort für ihn, irgendetwas, womit er die Sorge in dessen Augen lindern könnte.

Während die Vampirwachen sie vor sich her schubsten, immer tiefer in ihre Festung hinein, überkam Malkom die Ahnung, dass sie den Tod noch herbeisehnen würden, ehe die Nacht vorbei war.

»Vermutlich ist an den Gerüchten sowieso nichts Wahres dran«, log er, um sich gleich darauf mit neu erwachter Widerstandskraft gegen die Wachen zu wehren, von denen sie gerade eine Treppe hinuntergeführt wurden. Doch seine Fesseln waren magischer Natur. Malkom konnte sich weder teleportieren noch daraus befreien.

Am Fuß der Treppe lag eine unterirdische Kammer, in der sich auf einem Podium ein reich verzierter Thron befand. Auch wenn der Fußboden lediglich aus gestampftem Lehm bestand, waren die Wände mit teuren Seidenstoffen und Gobelins behangen. Dazu schmückten diverse Gegenstände aus seltenem Kristall und Glas den Raum.

Sogleich machte sich Malkom daran, jeden Zentimeter seiner Umgebung auf der Suche nach einem Fluchtweg zu analysieren. Gleich vor ihnen standen zwei schwer atmende Dämonensklaven neben einem frisch ausgehobenen Grab. Entlang den Wänden befanden sich weitere Wachen mit gezückten Schwertern. Im Hintergrund arbeitete ein Zauberer in einem schwarzen Umhang an einem Tisch, auf dem unzählige Phiolen in unterschiedlichsten Größen standen.

Götter, bitte lasst die Gerüchte falsch sein ... über die Scârb'a, diese Ausgeburten der Hölle.

»Siehst du irgendeinen Weg hier raus?«, murmelte Kallen.

Normalerweise konnte Malkom das. Ohne Ausnahme gelang es ihm stets, auch aus scheinbar ausweglosen Lagen zu entkommen. »Bis jetzt noch nicht.«

Die Wachen stießen Kallen und Malkom vor dem Grab auf die Knie.

»Ronath wird hierfür bezahlen, wenn ich erst frei bin«, zischte Kallen durch zusammengebissene Zähne. Ronath der Waffenmeister war ein erfahrener Krieger und nach Malkom der stärkste Dämon. Er war ehemals Kallens Günstling unter den Feldherren gewesen. »Dieser Verräter wird die Nacht nicht überleben.«

Es war Ronath, der Malkom den Vampiren ausgeliefert hatte was an sich schon einer Katastrophe gleichkam. Doch ohne Malkoms unerschütterliche Verteidigung war Kallens Festung eine Woche später gefallen, und der geliebte Prinz der Trothianer war gefangen genommen worden.

Durch seinen Hass auf Malkom geblendet, der vom Sklaven zum Feldherren aufgestiegen war, hatte Ronath Kallen und sämtliche Trothianer unwissentlich dem Untergang geweiht.

Seine eigene Rache hatte Malkom bereits aufs Genaueste geplant. Da er weder über Kallens Güte noch über dessen Edelmut verfügte, würde seine Vergeltung weitaus grausamer ausfallen, als es sich der Prinz je ausmalen könnte.

Ohne Vorwarnung translozierte sich ein Vampir in den Raum, direkt auf den Thron. Der Mann war in teure Seidenroben gekleidet, seine Haut war blass, Oblivions brennend heiße Sonne hatte nicht die geringste Spur darauf hinterlassen. Seine Augen waren ganz und gar rot, seine Züge vom Wahnsinn entstellt.

Der Vizekönig.

Nachdem die Vampire Oblivion erobert und in eine Kolonie verwandelt hatten, hatten sie den Vizekönig entsandt, ihren bösartigsten Anführer, um diese Ebene zu regieren.

»Ah, meine beiden neuen Gefangenen«, sagte er auf Anglisch.

Obwohl sowohl Malkom als auch Kallen diese Sprache fließend beherrschten, weigerten sie sich, irgendeine andere Sprache als ihre dämonische Muttersprache zu verwenden, selbst wenn auf deren Verwendung inzwischen die Todesstrafe stand.

Der Vampir rieb sich das schmale, sauber rasierte Kinn. »Endlich haben wir euch beide in unserer Gewalt.«

Malkom und der Prinz waren die Anführer der Rebellion. Ihre Vernichtung würde gleichzeitig den Widerstand brechen, daher hatten die Vampire fieberhaft nach ihnen gesucht.

Als der Vizekönig mit den Fingern schnipste, verließen die beiden Sklaven den Raum, um Sekunden später mit einem bewusstlosen Dämonenjungen zurückzukehren. Ein Angehöriger ihres eigenen Volkes, der einem Vampir als Erfrischung gereicht wurde. Als kleine Zwischenmahlzeit.

Malkom begann zu schwitzen. Er wehrte sich immer heftiger gegen seine Fesseln, ohne sich jedoch von ihnen befreien zu können. Der Vampir zog den Jungen zu sich heran und beugte sich über dessen Hals.

Bei diesem Anblick erfasste Malkom eine ungeheure Wut. Dieses Schmatzen ...

Er fletschte die Fänge, überwältigt von den Erinnerungen an seine Kindheit als Blutsklave. Sein einziger Trost bestand darin, dass der Junge bewusstlos war ein Luxus, der ihm selbst nie vergönnt gewesen war. Bei ihm hatten die Vampire auch nicht aus dem Hals getrunken, denn das wäre allzu leicht zu sehen gewesen, und er war nicht nur um seines Blutes willen als Sklave gehalten worden.

»Ruhig, Malkom«, murmelte Kallen auf Dämonisch. »Du darfst jetzt nicht den Kopf verlieren.«

Wie oft hatte Kallen ebendiese Worte schon gesagt? So lange schon bewahrt der Prinz mich davor, den Verstand zu verlieren.

Der Vizekönig ließ den Jungen vom Podium auf den Boden fallen, als ob er Abfall wäre, und tupfte seine Lippen mit einem frisch gestärkten Tuch ab. »Ich muss gestehen: Ihr beide fasziniert mich.« Seine roten Augen brannten vor Neugier. »Eine Freundschaft zwischen einem verehrten Mitglied der königlichen Familie und seinem brutalen Wachhund. Der Mächtigste der Mächtigen und ...« Er machte eine nachlässige Geste mit der Hand in Malkoms Richtung.

Niemanden hatte diese Freundschaft mehr überrascht als Malkom. Kallen war der Kronprinz der trothianischen Dämonarchie, Hunderte von Jahren alt und von Weisheit erfüllt.

Malkom war der dreißigjährige Sohn einer Hure, der zum Sklaven eines Vampirs erzogen worden war, Analphabet und von glühender Wut erfüllt.

Und doch waren Kallen und er Waffenkameraden geworden, Brüder im Geiste, wenn auch nicht durch Blutsverwandtschaft. Kallen sprach immer davon, dass er etwas Besonderes in Malkom gesehen habe, eine angeborene Edelmütigkeit. Als ob er ahnte, wie sehr sich Malkom danach sehnte, adelig zu sein.

»Vaterlos, mittellos und ignorant«, fuhr der Vizekönig mit dröhnender Stimme fort. »Der Sohn einer Dämonin, die ihren Körper verkaufte.« Er lachte gehässig. »Bis sie einen ihrer Söhne verkaufen konnte.«

Nichts davon konnte Malkom leugnen.

»Mit welcher Vehemenz du dich an das Leben klammertest, wo du doch eigentlich nicht mehr als ein Haufen Abfall in einer finsteren Seitengasse hättest sein dürfen.«

»Wenn Malkom auch nicht von edlem Geblüt ist«, sagte Kronprinz Kallen, »zeichnen ihn doch seine Taten als Edelmann aus.«

Kallen immer verteidigt er mich.

Den Vizekönig schien dies zu amüsieren. »Ich kann mir niemanden denken, der unbedeutender wäre als du, und dennoch warst du so unverfroren, uns zu widerstehen, obwohl du wusstest, dass der Tod dich erwarten würde. Erstaunlicherweise hättest du uns beinahe aufgehalten, Dämon.«

Malkom konnte kaum glauben, was der Vampir sagte. Auch wenn er zahlreiche Schlachten gewonnen hatte, hätte er sich nie vorstellen können, dass der Feind kurz vor dem Rückzug stehen könnte. Malkom kannte Oblivion nur unter der Herrschaft der lebenden Toten.

Jahrzehnte vor seiner Geburt waren sie von einer fremden Ebene gekommen, die von unzähligen Rassen Sterblicher sowie Unsterblicher bevölkert war, und hatten sich aus einem bestimmten Grund hier niedergelassen.

Blut.

Als die Vampire trothianisches Blut zu sich genommen hatten, waren sie stärker geworden als je zuvor und ihre Verletzungen waren noch rascher verheilt. Nach und nach war Blut zu Oblivions Währung geworden.

»Es hätte nicht mehr viel gefehlt«, fuhr der Vizekönig fort, »aber am Ende hat sich die Herkunft doch durchgesetzt.« Der Vampir translozierte sich, sodass er jetzt neben ihnen stand. »Du kannst dir die feinste Kleidung anziehen.« Er streckte die Hand aus und riss Malkom den reich verzierten Umhang vom Leib. »Aber damit kannst du nur für kurze Zeit verbergen, was du in Wahrheit bist. Ich wette, ich würde unter den Fesseln Bissnarben an deinen Handgelenken finden.«

Wieder konnte Malkom die Tatsachen nicht leugnen. Für gewöhnlich trug er silberne Armreifen, um diese beschämenden Male zu verbergen. Die Details seiner Vergangenheit stellten nicht unbedingt ein Geheimnis dar. Sämtliche Dämonen in Ash wussten, wie sich Malkom als Junge sein Brot verdienen musste, wie er sich von ihrem Abfall ernährt hatte, als er für den Geschmack eines Vampirlords zu alt geworden war.

Aber dass dieser Vampir es ebenfalls weiß ...

»Ganz gleich, wie du aussehen magst, Dämon, du bist nach wie vor ein Nichts.«

»Hör nicht auf ihn, Malkom«, sagte Kallen. »Du bist ein guter Mann. Ein tüchtiger, getreuer Anführer.«

»Der bei der erstbesten Gelegenheit verraten wurde?«, fragte der Vampir.

Eine Gruppe, die von dem mächtigen und verschlagenen Ronath...