Die öffentliche Verwaltung in der Demokratie der Bundesrepublik Deutschland

von: Edwin Czerwick, Wolfgang H. Lorig, Erhard Treutner

VS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV), 2009

ISBN: 9783531921150 , 274 Seiten

Format: PDF, OL

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Preis: 42,25 EUR

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Die öffentliche Verwaltung in der Demokratie der Bundesrepublik Deutschland


 

Demokratie und Exekutive (S. 17)

Kurt Kippels

„The government of the people, by the people, for the people“ (Abraham Lincoln, Gettysburg Address vom 19.11.1863)

1 Demokratie

Bevor im Folgenden aus verfassungsrechtlicher Sicht der Versuch unternommen wird, die demokratische Legitimation des Verwaltungshandelns in der Bundesrepublik Deutschland zu untersuchen, ist es zunächst unerlässlich, aus den vielen Demokratiebegriffen (Präsidial-, Basis-, Volks-, Räte-, Radikal-, Partizipationsdemokratie etc.) den des Grundgesetzes herauszudefinieren, zumindest aber den Kernbereich dessen zu bestimmen, was Demokratie in unserem Verfassungssystem bedeutet.

In einem weiteren Schritt wird nach dieser Analyse zu klären sein, ob das Staatsformmerkmal „Demokratie im Sinne des Grundgesetzes“ überhaupt noch angesichts der fortschreitenden Integration Europas in der Bundesrepublik Geltung besitzt. Da die Gesetzgebung des Bundestages, der das Deutsche Volk als Träger der Souveränität repräsentiert, immer mehr durch die Rechtssetzung der EU verdrängt wird, stellt sich diese Frage vorrangig und verlangt nach dem Aufweisen von Lösungen, um einen drohenden Verfassungsbruch zu vermeiden.

Nur unter der Prämisse eines demokratischen Deutschlands kann sich danach die Untersuchung anschließen, wie es um das Verhältnis von Demokratie zu Verwaltung bestellt ist.

1.1 Demokratie im Sinne des Grundgesetzes

Im Sinne der Allgemeinen Staatslehre, die bei der Trägerschaft der Staatsgewalt (Herrschaft, griechisch: kratia) zwischen einem (griechisch: monos, Monokratie), einigen (griechisch: oligoi, Oligarchie) und allen (gemeint ist das gesamte Volk, griechisch: demos, Demokratie) unterscheidet, bedeutet Volk regelmäßig das Staatsvolk, d.h. die Gesamtheit aller wahlberechtigten Staatsangehörigen.

In der Bundesrepublik Deutschland versteht man unter dem Staatsvolk die Deutschen im Sinne des Art. 116 Abs. 1 GG, das sind nicht nur die deutschen Staatsangehörigen, sondern auch die so genannten „Statusdeutschen“, d.h. die Flüchtlinge oder Vertriebenen „deutscher Volkszugehörigkeit“ oder deren Ehegatten oder Abkömmlinge, die „in dem Gebiete des Deutschen Reichs nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden“ haben.

Zu diesen Deutschen ohne deutsche Staatsangehörigkeit zählen beispielsweise die Russlanddeutschen, die Siebenbürger Sachsen, aber auch Deutschstämmige aus Danzig, wenn die genannten Kriterien des Art. 116 erfüllt sind.1 Eine weitere Besonderheit ergibt sich aus der besonderen Staatsform der Bundesrepublik Deutschland als Bundesstaat, in dem jedes Bundesland als Staat im Sinne der Allgemeinen Staatslehre über ein eigenes Staatsvolk und damit eine eigene Staatsangehörigkeit verfügt.

Nicht zum deutschen Staatsvolk und damit auch zu keinem der Staatsvölker der Bundesländer zählen die in Deutschland sich aufhaltenden Ausländer, einschließlich der Staatsangehörigen der anderen Mitgliedstaaten der EU, und die Staatenlosen. Deren Anteil an der „deutschen Bevölkerung“ beträgt immerhin ca. 8,1% oder 6,74 Millionen Einwohner.

In der Stadt Köln sind von ca. 990.000 Einwohnern 16,9 % oder über 165 000 Menschen Nichtdeutsche3. Ein „Staatsvolk“ der Gemeinden und Gemeindeverbände ist begrifflich ausgeschlossen. Im Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG ist vom „Volk (…) in den Kreisen und Gemeinden“ die Rede, das im Rat und im Kreistag Volksvertretungen besitzt, die jedoch keine (staatsrechtlichen) Parlamente, sondern kommunale Verwaltungsorgane sind (OVG Münster, Urteil vom 25.07.78, DVBl. 78: 895).

Volk im Sinne von „Demos“ gibt es also auf kommunaler Ebene nicht, allenfalls im Sinne einer partikularen Gewalt als „Teilvolk“ des Volks des jeweiligen Bundeslandes. Gleichwohl sollen auf dieser Stufe „demokratische Prinzipien“, also Elemente der „Demokratie“ gelten. Andererseits hat Recht der EU - in diesem Fall der Art. 19 EGV4 - den „Teilvolksbegriff“ auf Kommunalebene erweitert. Seit 1992 ist in Art. 28 Abs. 1 GG folgender neuer Satz 3 eingefügt worden: „Bei Wahlen in Kreisen und Gemeinden sind auch Personen, die die Staatangehörigkeit eines Mitgliedstaats der Europäischen Gemeinschaft besitzen, nach Maßgabe von Recht der Europäischen Gemeinschaften wahlberechtigt und wählbar.“