Robin Hood - Die Rächer vom Sherwood

von: George Payne Rainsford James

Aufbau Verlag, 2012

ISBN: 9783841205094 , 408 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 2,99 EUR

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Robin Hood - Die Rächer vom Sherwood


 

2


Der Himmel war noch grau, als Thomas Blawket, der stämmige Dienstmann des Grafen Monthermer, frisch aus seinem Bett sprang und jene eilfertige Toilette machte, wie sie damals ein derber Engländer seines Standes gewohnt war. Sie bestand einfach darin, dass er ein paar große Eimer voll reinen kalten Wassers über seinen runden, lockigen Kopf und seine nackten Schultern goss und dann, ohne sich lange mit den Zeremonien des Abtrocknens aufzuhalten, die Kleider anlegte und mit dem Gürtel um den Leib befestigte.

»Wünsch dir guten Tag, Wirt!«, sagte er, als er wegging. »Ich werde bald wieder zurück sein.« Er schlenderte gemächlich über den grünen Platz und blieb ab und zu stehen, damit es nicht aussähe, als schlüge er eine verabredete Richtung ein. Langsam schritt er so der Kirche zu und erreichte, am Hause des Priesters vorbeikommend, den Kirchsteig.

Am andern Ende des Steiges stand Hardy, der Bucklige, eine lebhafte Melodie pfeifend und den Herankommenden erwartend, ohne sich von der Stelle zu rühren. Nach kurzer Begrüßung wanderten beide rasch durch die grünen Felder dahin, von all den lustigen Geringfügigkeiten plaudernd, welche freie Herzen am frühen Morgen beschäftigen.

Am Bach machten sie halt und blickten in seine tanzenden Wellen; sie schauten dem raschen Fisch nach, wie er im Wasser dahinschoss, und schrien einem Reiher zu, der eben mit seinem Schnabel eines von den sumpfigen Geschöpfen gepackt hatte.

»Jetzt, wenn wir einen Falken hätten«, sagte der Bauer, »wir hätten bald den Meister Graufeder hier, so gewiss, wie der nichtswürdige Richard de Ashby die hübsche Kate Greenly fangen wird.«

»Meint Ihr?«, fragte des Lords Dienstmann, der gar nicht daran dachte, den Reiher zu fangen. »Wird sie sich so leicht beschwatzen lassen?«

»Ja, das wird sie«, versetzte der Bauer. »Nicht, dass es dem Mädchen an Verstand oder Unterricht fehlt; denn der gute Priester gab sich mächtig viel Mühe mit ihr, und sie kann lesen und schreiben, so gut wie irgendein Schreiber im Land. Auch hat sie kein schlechtes Herz, obgleich es allerdings etwas trotzig und rasch ist. Aber das Mädchen ist so eitel wie eine Meise, und obwohl ich glaube, sie liebt im Grunde ihres Herzens den jungen Harland, habe ich ihm doch schon oft gesagt, es sei unwahrscheinlich, dass sie ihn heiratet. Da nun dieser Richard de Ashby wiedergekommen ist und sich an sie hängt wie früher, sage ich: Ihre Eitelkeit wird sie bei den Ohren nehmen und sie auf jeden Markt führen, wohin er sie zu bringen Lust hat.«

»Dass ein solcher Herr nicht einen so abgelegenen Ort wie diesen in Frieden lassen kann, mit seinem ruhigen Sonnenschein und guten Landvolk. Er könnte doch leicht genug ein lustiges Liebchen finden in den großen Städten, ohne dass er es nötig hätte, einen guten Jüngling unglücklich zu machen und ein frohherziges Dorfmädchen in Schande zu bringen! Ich hoffe, es wird ihm dafür noch der Schädel eingeschlagen!«

»Er hat Aussicht, sich zum Lohn für etwas anderes den Hals zu brechen, wenn ich die Sache richtig beurteile. Aber davon wollen wir bald mehr reden. Lasst uns weitergehen!«

So wanderten sie denn weiter, bis sie auf einen offenen, weiten Platz kamen, der mit kurzem Gras und alten Weißdornbüschen bedeckt war und am Waldrand lag.

»Ei, Ihr scheint ja am Saum des Waldes zu wohnen, Bauersmann«, sagte Blawket. »Es muss hier schlechter Boden sein, denke ich.«

»Er ist ganz gut für meine Art Landwirtschaft«, versetzte der andere, ihm einen listigen Blick zuwerfend. »Wir haben noch eine Meile vor uns, Meister Blawket, und können ebensogut ruhig ein bisschen durch das Waldland laufen.«

»Ich bin dabei«, versetzte der Dienstmann. »Ich liebe den Waldboden, und oft, wenn die Jahreszeit kommt, helfe ich mit meines Herrn Erlaubnis, seinen Forstleuten das Wild zu erlegen.«

»Gefährliche Liebhabereien, das, in solchen Zeiten«, sagte der Bauer, und hiermit verstummte das Gespräch wieder.

Obwohl sie nun den eigentlichen Wald betreten hatten, standen die Bäume viele Ellen weit voneinander entfernt und warfen lange Schatten auf das Samtgrün des Grasbodens. Aber als Blawket durch die Stämme hindurch nach Norden und Westen schaute, konnte er wohl sehen, wie eine dämmernde Masse von dunklerem Grün sich in der Ferne ausbreitete und bewies, dass der Wald bald dichter wurde.

Dass sie in das Reich der jagdbaren Tiere kamen, war bald augenfällig.

Mehr als einmal sprang ein Hase vor ihren Füßen auf und hoppelte in nicht sehr eiligem Lauf davon. Alle zwei, drei Schritt sah man ein Eichhörnchen von Baum zu Baum flitzen und den Stamm hinanklettern, und mehrmals wurde das geübte Auge Blawkets eines bräunlichen Hirsches ansichtig, der einen der Pfade entlanglief, um Zuflucht im dichteren Walde zu suchen.

»Nun, Meister Pflüger«, sagte er endlich. »Ihr scheint mich ja in den dicksten Wald hineinzuführen. Liegt Eure Wohnung in dieser Richtung?«

»Ja, ganz gewiss!«, antwortete Hardy. »Sie wird sogleich offener hervortreten.«

»Das ist sehr nötig«, erwiderte der Dienstmann. »Sonst müsste ich Euch für einen Waidmann halten, und zwar nicht für einen von den königlichen.«

Der Bauer lachte, gab aber keine Antwort, und nach ein paar Minuten fuhr der Dienstmann fort: »Ihr seid ein wunderlicher Mann, denn Ihr seid diesen Morgen zehn Jahre jünger, als Ihr gestern Abend wart. Meiner Treu, wenn ich geahnt hätte, dass Ihr so stark seid, ich glaube, ich hätte Euch die Sache mit den zwei Burschen allein ausfechten lassen!«

»Ich wollte auch, ich hätte sie nur eine halbe Stunde hier unter den grünen Weißdornbüschen«, bestätigte der Bauer lachend. »Ich bedürfte keines Helfers, um ihnen eine solche Tracht Prügel zu verpassen, wie sie sie wohl selten in ihrem Leben bekommen haben. Obwohl ich nicht daran zweifle, dass ihnen bereits einige zuteil geworden sind.«

»Gewiss, gewiss!«, antwortete Blawket. »Aber ein Wort, mein guter Freund, ehe wir weitergehen: Da Ihr nicht seid, was Ihr schienet, wäre es mir doch lieb zu wissen, wohin wir gehen.«

»Ich bin nicht, was ich schien, und auch nicht, was ich jetzt scheine«, sagte der Bauer mit einem offenen und fröhlichen Lächeln. »Aber beides hat gar nichts zu sagen. Da, helft mir nur von meiner Bürde; ich bin nicht der Erste, der sich das Ansehen gegeben, mehr zu sein, als er ist. Da, legt Eure Hand unter mein Wams und löst auf dem Rücken den Knoten auf, während ich den andern vorn aufknüpfe.«

Mit Hilfe seines Begleiters ließ er nun einen großen Wulst von seinen Schultern herabgleiten, der ganz und gar das Ansehen eines Buckels hatte. Sobald diese Bürde weg war, stand er vor Blawket als ein stämmiger, untersetzter Mann mit hohen Schultern, aber ohne den leisesten Ansatz von einem Höcker links oder rechts. An dem Erstaunen seines Begleiters sich weidend, sagte er: »So viel, was den Buckel betrifft, Meister Blawket. Hätten jene guten Gesellen mich so gesehen, sie würden wohl nicht so eilig mit ihren Händen gewesen sein. Und hätten sie dies gesehen«, fuhr er fort, den Griff eines guten starken Dolches unter seinem Kleid zeigend, »sie wären wohl nicht so eilig mit ihren Schwertern bei der Hand gewesen. Doch jetzt lasst uns ohne Zeitverlust vorwärtseilen; denn es warten Leute auf Euch, die Euch eine Botschaft an Euern Lord auftragen möchten.«

Blawket bedachte sich einen Augenblick und sagte dann: »Gut, es hat nichts zu sagen. Ich will keinem Verdacht gegen Euch Raum geben, obgleich dies ein sonderbarer Handel ist. Ich habe Euch einmal aus einer Klemme geholfen – wenigstens hatte ich die Meinung und die Absicht, Euch zu helfen, und ich glaube gewiss, dass Ihr es mir nicht schlecht vergelten werdet.«

»Zweifelt nicht an mir!«, sagte der Bauer. »Ihr seid ein Freund, kein Feind. Aber jetzt, um allem, was Ihr heute hören mögt, noch ein Wort beizufügen, lasst Euch sagen, dass der eine der beiden Männer, mit denen Ihr mich gestern im Kampf saht, ein Verräter und Spion ist. Und, ich glaube fast, dass der, der ihn mitbrachte, selbst nicht viel besser ist!«

»Harte Worte, das, Meister Pflüger, oder was immer Ihr sein mögt«, sagte des Lords Dienstmann mit ernsthafter Miene. »Ich hoffe, es ist nicht ein zerschlagener Kopf oder ein Hader im Bierhaus, was Euch den Mann des Verrats beschuldigen lässt. Zudem, wenn er ein Spion ist, kann er nur einer sein gegen seinen eignen Herrn.«

»Und wer ist sein eigner Herr?«, fragte Hardy. »Kommt, strengt Euern Witz an und sagt mir das!«

»Nun, Sir Richard de Ashby«, antwortete der Mann.

»Wahrhaftig!«, versetzte Hardy. »Mich dünkt, das Wappen des Hauses Ashby sei ein Baum, der aus einer Kohlenpfanne hervorwächst.«

»So ist es «, erwiderte der Mann, »und den hat er auch auf seinem Rock.«

»Und was hat er auf der Brust?«, fragte Hardy. »Drei schreitende Leoparden.«

Der Mann fuhr auf. »Ha, das ist das Wappen des Königs!«

»Oder des Prinzen Edward«, fügte Hardy hinzu. »Wenn Ihr also wieder heimkommt, so sagt Eurem Lord, er möge wohl auf der Hut sein vor dem Vetter des Grafen von Ashby, wenn nicht auch vor dem Grafen selbst. Wir hatten Nachricht von etwas dergleichen erhalten, und ich blieb zurück, um zu beobachten – denn Ihr müsst mich nicht für einen solchen Narren halten, dass ich einem Dienstmann harte Worte für nichts sagte und mir Schläge auf den Kopf zuzöge, ohne einen bestimmten Zweck.«

»So habt Ihr also die Leoparden gesehen?«, fragte Blawket eifrig. »Habt sie mit eignen Augen gesehen?«

»Ich...