Workshops im Requirements Engineering - Methoden, Checklisten und Best Practices für die Ermittlung von Anforderungen

von: Markus Unterauer

dpunkt, 2019

ISBN: 9783960889038 , 227 Seiten

2. Auflage

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 29,90 EUR

Mehr zum Inhalt

Workshops im Requirements Engineering - Methoden, Checklisten und Best Practices für die Ermittlung von Anforderungen


 

2Workshops moderieren als Basistechnik


Um Anforderungen effektiv ermitteln zu können, müssen wir als Requirements Engineers Workshops und Meetings mit den Stakeholdern durchführen. In der Praxis brauchen wir dafür einen Weg, wie wir in Gruppen Anforderungen mit unterschiedlichsten Methoden erarbeiten können. Ein Workshop ist genau so ein Weg. Er ist ein »Instrument, mit dem die Teilnehmer Lösungsansätze für ein bestimmtes Thema erarbeiten. Die Gruppe wird dabei von einem Leiter oder Moderator unterstützt« [Lehrstuhl für Personal und Führung, 2011]. Jeder Workshop hat ein klar definiertes Ergebnis, z. B. eine Liste der benötigten Schnittstellen eines neuen Systems. Im Unterschied zu Besprechungen werden in einem Workshop verschiedene Methoden eingesetzt, um dieses Ergebnis zu erreichen. Ein Workshop braucht immer einen Moderator, der die Teilnehmer zu ihrem Ziel führt. Die Verantwortungen sind dabei klar definiert: Der Moderator ist für den Ablauf verantwortlich, die Teilnehmer für den Inhalt [Seifert, 2014]. Ein Workshop ist immer strukturiert und genau geplant. Ein gut gemachter Workshop ist ein sehr motivierendes Erlebnis für die Teilnehmer, da sie gemeinsam in kurzer Zeit ein tolles Ergebnis erarbeiten.

Workshops sind ein geniales Werkzeug für das Requirements Engineering. Scheinbar wie von selbst erarbeiten die Stakeholder ihre Anforderungen unter Anleitung des Requirements Engineer. Die folgenden Kapitel zeigen, wie ein Workshop aufgebaut ist, wie man ihn moderiert und wie man ihn plant.

2.1Zielsetzung und Ergebnis eines Workshops


Jeder Workshop hat ein Ziel und liefert ein Ergebnis. In der Anforderungsermittlung kann ein solches Ergebnis ein Vision Statement, eine Liste von Zielen, eine Stakeholder-Liste, eine Übersicht über die Umgebung des Systems, Anforderungen selbst, eine Roadmap zu deren weiterer Bearbeitung oder etwas Ähnliches sein. Ein fixer Bestandteil des Ergebnisses eines Workshops ist eine To-do-Liste, in der die weiteren Schritte festgehalten werden.

2.2Rollen im Workshop


In jedem Workshop gibt es klare Rollen und Verantwortlichkeiten [Seifert, 2014]:

  • Der Moderator ist verantwortlich für den Ablauf des Workshops. Er definiert gemeinsam mit dem Auftraggeber Zielsetzung und Ergebnisse und legt die Teilnehmer fest. Er wählt die passenden Methoden aus und plant den Workshop. Der Moderator findet einen Ort und einen Termin und lädt die Teilnehmer ein. Vor dem Workshop bereitet er alle benötigten Unterlagen, Flipcharts und den Raum vor.
  • Die Teilnehmer sind für den Inhalt des Ergebnisses verantwortlich.
  • Der Auftraggeber ist für die Vorgabe von Zielsetzung und Ergebnis verantwortlich und unterstützt bei der Auswahl der Teilnehmer. Bei den Workshops zur Anforderungsermittlung gibt es normalerweise keinen expliziten Auftraggeber, hier übernimmt der Requirements Engineer diese Rolle.
  • Zusätzlich kann es sein, dass nach dem Workshop weitere Stakeholder, die nicht teilgenommen haben, über die Ergebnisse informiert werden müssen.

2.2.1Der Moderator

Als Moderator sind Sie dafür verantwortlich, dass der geplante Ablauf eingehalten und das definierte Ergebnis erreicht wird. Wenn nötig entscheiden Sie über Abweichungen vom Plan. Dies kann notwendig sein, wenn klar wird, dass das Ziel des Workshops nicht mehr erreicht werden kann, oder wenn im Workshop ein wichtigeres Thema aufkommt [Seifert, 2014].

Während des Workshops müssen Sie immer wieder auf die Zeit achten. Für jede Phase und jede Methode wird geplant, wie lange sie dauern darf. Die Kontrolle dieser Timebox ist Ihre Aufgabe. Ebenso wichtig ist, dass Sie dafür sorgen, dass alle Teilnehmer gehört werden und einen Beitrag liefern. Hier sind offene Augen und Ohren und Fingerspitzengefühl im Umgang mit Gruppen gefragt. Nicht selten werden Sie mit Konflikten konfrontiert, mit denen Sie dann ruhig und respektvoll umgehen müssen. Entscheidend für den Erfolg eines Workshops ist eine gute Planung. Als Moderator legen Sie vorab fest, wie der Workshop ablaufen wird und welche Methoden Sie wann wofür einsetzen wollen.

Eine hitzig diskutierte Frage ist, ob ich mich als Moderator im Thema auskennen muss oder ob es reicht, wenn ich »nur« Moderator bin und sämtliches Know-how von den Teilnehmern kommt. Grundsätzlich sind zwar die Teilnehmer für den Inhalt des Ergebnisses verantwortlich, meiner Erfahrung nach ist es aber in der Anforderungsermittlung wichtig, dass man als Moderator mit dem Thema vertraut ist. Das bedeutet, dass Sie sich ins Fachthema, für das die Software spezifiziert wird, möglichst gut einarbeiten sollten. Sie können damit wesentlich besser die richtigen Fragen stellen und erkennen, ob die Teilnehmer auf dem richtigen Weg sind. Ein Teil Ihrer Vorbereitung wird also eine Beschäftigung mit der fachlichen Welt der Stakeholder und der technischen Welt der Entwickler sein.

2.2.2Die Teilnehmer

Die Teilnehmer sind für die inhaltliche Arbeit im Workshop und die Ergebnisse verantwortlich.

Wer an einem Workshop teilnehmen sollte, hängt stark vom Thema ab. Für die Themen in der Anforderungsermittlung finden Sie in den jeweiligen Kapiteln konkrete Hinweise, wer bei der Erarbeitung dabei sein sollte. Achten Sie bei der Auswahl der Teilnehmer darauf, eine Gruppe zusammenzustellen, die das nötige fachliche Know-how hat, um Entscheidungen zu treffen, und dies auch von der Organisationsstruktur her darf.

In Workshops, in denen innovative Ideen für neue Produkte, neue Funktionen und Ähnliches erarbeitet werden sollen, sind nicht nur Fachexperten, sondern auch ein oder zwei Querdenker sehr wertvoll. Querdenker sind fachfremde Personen, die vom Thema bewusst kein oder nur ein sehr grundlegendes Wissen haben. Sie denken daher völlig anders als Fachexperten. Sie sind nicht in bestehenden Denkmustern gefangen und können völlig frei sehr kreative, innovative und ein wenig verrückte Ideen produzieren.

Überlegen Sie sich vorab für jeden Teilnehmer, welche persönlichen Ziele er in den Workshop mitbringt und was seine Erwartungen sind. Machen Sie sich aber auch Gedanken darüber, welche Befürchtungen und kritischen Argumente ein Teilnehmer haben könnte und wie Sie darauf reagieren würden.

Wenn es nicht gelingt, die passenden Teilnehmer für ein Thema zu bekommen, gefährdet dies das Ziel des Workshops. Sie sollten als Moderator genau überlegen, ob die Gruppe das Ergebnis überhaupt erreichen kann. Ist dies nicht möglich, müssen Sie dies an den Projektleiter oder sogar den Projektauftraggeber eskalieren.

2.3Phasen eines Workshops


Jeder Workshop gliedert sich in sechs Phasen [Seifert, 2010]:

Abb. 2–1Die sechs Phasen eines Workshops (Grafik angelehnt an [Seifert, 2010])

2.3.1Einstieg

Der Einstieg dient dazu, den Workshop zu eröffnen und den Teilnehmern alle Informationen zu liefern, die sie zum Erreichen des Workshop-Zieles brauchen [Seifert, 2014]. Halten Sie ihn trotzdem kurz.

So können Sie den Einstieg in einen Workshop aufbauen

  1. Begrüßen Sie die Teilnehmer und stellen Sie sich vor.
  2. Nennen Sie die Zielsetzung und das gewünschte Ergebnis, z. B.: »Im heutigen Workshop wollen wir uns einen Überblick über die Schnittstellen verschaffen. Dazu werden wir ein Übersichtsdiagramm ausarbeiten.« Visualisieren Sie Zielsetzung und Ergebnis zusätzlich auf einem Flipchart.
  3. Stellen Sie die Agenda vor. Am besten ebenfalls mittels Flipchart.
  4. Für die Vorstellung der Teilnehmer können Sie unterschiedliche Methoden einsetzen. Die einfachste Möglichkeit ist eine kurze Selbstvorstellung. Dabei beantwortet jeder folgende Fragen:
    1. Wer bin ich?
    2. Was ist meine Rolle im Unternehmen?
    3. Was ist meine Rolle im Projekt?
    4. Was ist mein Ziel für das Projekt? Wo sehe ich den Nutzen? Warum bin ich dabei?
  5. Wenn nötig, stellen Sie das fachliche Thema vor. In der Anforderungsermittlung kann dies z. B. eine Einführung in die Umwelt der Software, eine Demonstration einer Technologie oder Ähnliches sein. Diese Einführung kann auch durch einen der Teilnehmer erfolgen.
  6. Vereinbaren Sie Spielregeln für das gemeinsame Arbeiten.
  7. Hängen Sie die Flipcharts mit der Zielsetzung und den Spielregeln deutlich sichtbar auf.

Spielregeln vereinbaren

Damit die Zusammenarbeit im Workshop gut funktioniert, sollten Sie zu Beginn einige Spielregeln vereinbaren [Nam Kha Pham, o.J.]. Beispiele für Spielregeln sind:

  • »Wir halten den Zeitplan ein.«
  • »Wir äußern Kritik wertschätzend und...