Viel mehr, als du denkst!

Viel mehr, als du denkst!

von: Michelle Celmer

CORA Verlag, 2010

ISBN: 9783862950911 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX für alle DRM-fähigen eReader Apple iPad, Android Tablet PC's Apple iPod touch, iPhone und Android Smartphones

Preis: 2,49 EUR

Mehr zum Inhalt

Viel mehr, als du denkst!


 

1. KAPITEL

Juni

Alexis „Lexi“ Cavanaugh war in den falschen Bruder verliebt.

Sie sah über den von Kerzen beleuchteten Tisch hinweg zu dem Mann, mit dem sie den größten Teil der vergangenen Woche verbracht hatte. Voller Enthusiasmus sprach er über Brody Oil and Gas, die Firma, die er gemeinsam mit seinem Bruder Lance besaß – dem Mann, den Lexi heiraten sollte.

Nicht dass sie erwartet hatte, sich in Lance zu verlieben. Ihre Ehe würde kaum mehr als ein Geschäft sein, das Mitch und Lance mit Lexis Vater Bruce Cavanaugh – dem Senator des Staates Texas – abgeschlossen hatten. Hatte sie nicht immer getan, worum sie ihr Vater gebeten hatte? Behauptete er nicht, alles besser zu wissen? Eine Hochzeit mit Lance würde die finanzielle Unabhängigkeit und den gesellschaftlichen Status bedeuten, die Lexi seiner Meinung nach zustanden. Lexi wusste allerdings nicht, womit sie das verdient haben sollte – außer vielleicht dadurch, dass sie ebenfalls den Namen Cavanaugh trug.

Natürlich fand sie Lance attraktiv, denn er war groß und dunkelhaarig, sah umwerfend gut aus und hatte einen athletischen Körper. Außerdem konnte er unwiderstehlich charmant sein – ein sanftmütiger Riese. Aber auf Lexi wirkte er nicht so anziehend wie die Männer, deren Umgang sie normalerweise gewohnt war. Bei seinen Arbeitern in der Raffinerie schien er sich wesentlich wohler zu fühlen als in der Gesellschaft von Aktionären. Mitch hingegen kam problemlos mit der geschäftlichen Elite von Washington D. C. zurecht. Gemeinsam hatten Lexi und er wenigstens sechs Partys und Wohltätigkeitsveranstaltungen besucht, wobei Mitch seinen Bruder vertreten hatte. Er hatte keine Probleme gehabt, mit den wichtigsten Leuten ins Gespräch zu kommen. Unleugbar war er derjenige von beiden, der bei Brody Oil and Gas die Fäden in der Hand hielt.

Darüber hinaus war er auch derjenige von beiden, in den Lexi sich verliebt hatte.

Viele Männer sahen in ihr lediglich ein Vorzeigeobjekt ohne Geist und Verstand: Sie sollte schön anzusehen sein, sich ansonsten jedoch besser schweigend im Hintergrund halten. Mitch allerdings hörte ihr zu und schien aufrichtig interessiert an dem zu sein, was sie zu sagen hatte.

Plötzlich fiel ihr auf, dass Mitch ihren Blick erwiderte und sie anlächelte. Sein Gesicht war ihr in den vergangenen Tagen vertraut geworden. Jede Einzelheit hatte sie sich eingeprägt: die wohlgeformte Nase, die sinnlichen braunen Augen, die verführerischen Lippen, die edle Kinnpartie. Da sie jeden seiner Gesichtsausdrücke zu deuten verstand, wusste sie, dass sein Lächeln in diesem Moment Belustigung verriet.

„Was ist denn?“, fragte Alexis.

„Du hast nicht ein Wort von dem mitbekommen, was ich gesagt habe, richtig?“

Er hatte vollkommen recht. Völlig geistesabwesend war sie gewesen, während er eben über sein Geschäft geredet hatte, das ihm mehr als alles andere auf der Welt am Herzen lag. Allerdings war es ihr einfach unmöglich, auf diese Lippen zu starren, ohne in Verzückung zu geraten und sich nicht von dem tiefen Klang seiner Stimme verzaubern zu lassen. Natürlich war das keine Entschuldigung für ihr unhöfliches Verhalten, denn normalerweise war sie eine äußerst aufmerksame Zuhörerin.

„Tut mir leid“, sagte sie.

„Ich sollte mich wohl eher bei dir entschuldigen. Bestimmt langweile ich dich mit meinem Gerede. Hin und wieder vergesse ich, dass nicht jeder so leidenschaftlich in das Ölgeschäft verliebt ist wie ich.“

„Nein, ganz im Gegenteil, ich höre dir sehr gern zu, wenn du davon sprichst. Ich bin nur ein bisschen müde. Ist ja auch eine anstrengende Woche gewesen.“

„Das stimmt“, erwiderte Mitch mit einem beinahe verführerischen Lächeln. „Mein Bruder hat ja keine Ahnung, was ihm entgangen ist.“

Fühlte er etwa dasselbe Verlangen nach ihr wie sie für ihn? Oder war er nur höflich? Oder, wie sein Bruder, einfach ein Naturtalent im Flirten?

„Es ist spät. Ich sollte dich ins Hotel zurückbringen.“

Für einen Augenblick erlaubte Lexi sich die Vorstellung, dass sie gar nicht schnell genug auf ihr Zimmer kamen, um sich dort leidenschaftlich zu lieben. Dieser Gedanke faszinierte und erschreckte sie gleichermaßen. Schon immer hatte sie darauf gehofft, ihr erstes Mal würde etwas ganz Besonderes sein, und sie war vollkommen überzeugt, dass Mitch der richtige Mann dafür war.

Doch das würde nicht geschehen, denn bald heiratete sie seinen Bruder. Und hob man etwas so Kostbares wie Jungfräulichkeit nicht für den zukünftigen Ehemann auf? Auch dann, wenn es gar keine richtige Ehe sein würde?

Mitch rief den Ober und bezahlte die astronomisch hohe Rechnung, ohne mit der Wimper zu zucken. Was hatte sie erwartet, wenn er sie in das teuerste Restaurant von Washington ausführte? Offensichtlich war Geld kein Thema für ihn.

Er war ihr beim Aufstehen behilflich und geleitete sie zur Tür. Erfreut bemerkte Lexi, dass alle anderen Gäste sich nach ihnen umdrehten. Die Männer beobachteten neidisch, wie ihre Begleiterinnen Mitch verzückt anstarrten.

Sorry, Mädels, der gehört mir ganz allein. Zumindest so lange, bis sie offiziell mit Lance liiert war. Wenn es ihr doch nur gelänge, diesen Augenblick bis in alle Ewigkeit hinauszuzögern und ein Leben mit Mitch anstatt mit Lance zu führen!

Als sie hinaus in die schwüle Abendluft traten, wartete die Limousine bereits auf sie. Das weiche Leder fühlte sich angenehm kühl an, als sie in dem Wagen Platz nahmen. „Zum Watergate Hotel“, wies Mitch den Fahrer an.

Sie hoffte, während der Fahrt mit Mitch sprechen zu können, aber leider klingelte sein Mobiltelefon. Nach einem Blick auf das Display, entschuldigte er sich bei ihr. „Tut mir leid, aber ich muss den Anruf annehmen.“

Obwohl er am Telefon nichts Bestimmtes sagte, merkte sie an seinem Tonfall, dass es um das Feuer in der Raffinerie ging. Von ihrem Vater hatte Lexi gehört, dass alles auf Brandstiftung hindeutete. Obwohl es keine konkreten Beweise gab, waren Gerüchte laut geworden, dass Lances langjähriger Rivale, Alejandro Montoya, dafür verantwortlich sein könnte. Zwar blieb ihr unbegreiflich, wie jemand so leichtfertig viele Menschenleben aufs Spiel setzen konnte, allerdings war sie sozusagen mit Politik groß geworden und hatte lernen müssen, dass manche Menschen zu furchtbaren Dingen fähig sein konnten.

Als die Limousine vor dem Hotel hielt, beendete Mitch das Gespräch. Normalerweise trennten sie sich in der Lobby, da ihre Zimmer in verschiedenen Flügeln des Hotels lagen. Heute Abend jedoch bot Mitch ihr an, sie bis zu ihrem Zimmer zu begleiten.

Er ist lediglich höflich, redete sie sich ein. Aber warum ausgerechnet heute? Was war an dem heutigen Abend anders als an den übrigen zuvor?

Die Luft im Fahrstuhl schien vor Anspannung zu knistern. Mehr als sonst war Lexi sich Mitchs Gegenwart bewusst. Vielleicht bildete sie sich das auch nur ein.

Als die Kabinentür aufglitt, berührte er Lexis Taille, um sie herauszuführen. Seine Hand war warm, das spürte sie sogar durch den Seidenstoff ihres Sommerkleides, und ihre Haut prickelte vor Erregung. Sie konnte sich nicht daran erinnern, von Mitch vorher schon einmal auf solche Weise berührt worden zu sein, das hätte sie unter gar keinen Umständen vergessen. Als sie die Zimmertür erreicht hatten, nahm er Lexi den Schlüssel ab, um aufzuschließen. Nachdem sie eingetreten war, lehnte Mitch sich an den Türrahmen.

„Der Abend heute hat mir sehr gut gefallen, Lexi“, sagte er und sah ihr zunächst in die Augen, bevor sein Blick weiter nach unten auf die Vorderseite ihres Kleides schweifte. Sie bemerkte den leidenschaftlichen Gesichtsausdruck, mit dem Mitch das Ergebnis ihres teuren, wenn auch unbequemen Push-up-BHs bewunderte, der ihr ein aufregendes Dekolleté bescherte. Mitch war es also nicht entgangen, und offensichtlich gefiel ihm, was er da sah.

Sie war noch nie die geborene Verführungskünstlerin gewesen, aber an diesem Abend war ihr genau danach. Was konnte es schon schaden, zum ersten Mal in ihrem langweiligen Leben etwas Skandalöses und Verruchtes zu tun? Etwas, das sie nur für sich selbst tat? Wer, außer ihnen beiden, würde jemals davon erfahren? Hatte sie sich nach all den Jahren der Enthaltsamkeit nicht eine Nacht zügelloser Leidenschaft und Ekstase verdient?

Zweifellos würde Mitch ihr zu so einer Nacht verhelfen.

„Mir hat er auch sehr gut gefallen“, erwiderte sie und lächelte ihn an. Sie hoffte, dass ihr Lächeln auch wirklich verführerisch wirkte. Vielleicht lag es am Wein oder am Candle-Light-Dinner, aber sie konnte förmlich spüren, wie ihre Hemmungen sich in nichts auflösten. „Hättest du Lust, auf einen Schlummertrunk reinzukommen?“

Ohne zu zögern, folgte er ihrer Aufforderung und schloss die Tür hinter sich. Sie öffnete den Mund, um zu fragen, was er trinken wollte, als er auch schon die Arme um sie legte und sie an sich zog. Ihre Brustknospen prickelten, als er sie an seinen muskulösen Oberkörper presste, und vor Aufregung fühlten sich ihre Knie an, als wollten sie jeden Moment nachgeben. Mitch neigte den Kopf, um sie zu küssen. Überrascht atmete sie ein, öffnete den Mund, und Mitch ließ sich die Gelegenheit nicht entgehen.

Fast erwartete sie, dass er sie so stürmisch und dominant küsste, wie es die Helden in ihren Lieblingsliebesromanen zu tun pflegten, doch seine Lippen berührten sie sanft und zärtlich. Obwohl sie es sich von ganzem Herzen gewünscht hatte, von ihm geküsst zu werden, war sie so überwältigt von dem Kuss ihres...