Zum Geburtstag einen Mann

Zum Geburtstag einen Mann

von: Kate Hardy

CORA Verlag, 2010

ISBN: 9783862950386 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 2,49 EUR

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Zum Geburtstag einen Mann


 

1. KAPITEL

Er war perfekt.

Absolut perfekt!

Lässig gegen die Steinsäule vor dem Bürogebäude gelehnt, blickte er mit grüblerischer Miene auf die Themse. Das weiße, am Kragen geöffnete Hemd und die dunkle Anzughose saßen wie angegossen und betonten seinen schlanken, athletisch gebauten Körper. Doch trotz seiner konservativen Kleidung wirkte er nicht wie ein Geschäftsmann oder Banker. Etwas Rastloses, Ungezähmtes ging von ihm aus, was durch den brütenden Ausdruck auf seinem männlich schönen Gesicht noch verstärkt wurde. Sein schwarzes, lockiges Haar war zerzaust, als würde er sich ständig mit den Fingern hindurchfahren, und er schien mit den Gedanken weit weg zu sein.

Ein großer, dunkler Fremder.

Geheimnisvoll und hinreißend attraktiv.

Genau das, wonach Jane gesucht hatte.

Worauf wartete sie dann noch? Warum ging sie nicht schnurstracks auf ihn zu und tat, was sie sich vorgenommen hatte?

Weil du eine feige Memme bist!, schalt Jane sich im Stillen.

Ihre Mitbewohnerin Charlie hätte es durchgezogen. Sie wäre einfach auf ihn zugesteuert, hätte ihn geküsst und ihm dann lächelnd einen schönen Tag gewünscht, bevor sie unbekümmert davongeschlendert wäre. Aber im Gegensatz zu Charlie, die weder Tod noch Teufel fürchtete, fehlte ihr, Jane, ganz offensichtlich der Mumm für eine so abenteuerliche Aktion.

Es war ohnehin eine idiotische Idee. Wer ging schon auf einen völlig Fremden zu und küsste ihn?

Trotzdem wäre es sicher eine aufregende Erfahrung gewesen, denn dieser Mann war wirklich atemberaubend.

Aus einem plötzlichen Impuls heraus zog Jane ihr Handy aus der Tasche. Wenn sie schon nicht den Mut hatte, ihn zu küssen, würde sie wenigstens ein Foto von ihm machen, um ihren Mitbewohnerinnen zu zeigen, wie die vollkommene Verkörperung ihrer romantischen – und erotischen – Fantasien aussah.

Sie hob das Handy an die Augen, aktivierte den Zoom, um ihn größer ins Bild zu bekommen, und drückte auf den Auslöser. In diesem Augenblick wandte er sich in ihre Richtung und sah, was sie tat.

O nein, das hatte ihr gerade noch gefehlt!

Jane wollte sich eilig aus dem Staub machen, war aber nicht schnell genug. Mit wenigen Schritten war der schöne Unbekannte bei ihr und umfasste mit stählernem Griff ihr Handgelenk. „Darf ich erfahren, was das gerade sollte?“, erkundigte er sich in scharfem Tonfall.

„Ich … ich weiß nicht, was Sie meinen …“, stammelte sie mit hochrotem Kopf.

„Sie haben mich gerade fotografiert.“

Was für eine grauenhaft peinliche Situation! Jane wünschte inständig, der Erdboden möge sich auftun und sie verschlingen. Er sah sie mit den schönsten grüngrauen Augen an, die sie je gesehen hatte, doch leider konnte sie weder Wärme noch Sympathie darin entdecken.

„Also?“, hakte er unerbittlich nach.

Jane suchte fieberhaft nach einer plausiblen Erklärung, aber ihr Kopf war wie leergefegt. „Hören Sie, es tut mir wirklich leid …“

So hätte es absolut nicht laufen sollen!

„Vielleicht wären Sie erst einmal so nett, mich loszulassen“, bat sie den Fremden und versuchte, sich aus seinem Griff zu befreien.

Er hielt sie weiter fest. „Sie haben mir immer noch nicht meine Frage beantwortet.“

„Es tut mir leid“, erklärte Jane erneut. „Es … es war nur so ein dummer Impuls.“

Als er nach kurzem Zögern endlich ihr Handgelenk freigab, schaltete sie ihr Handy aus und schob es hastig in die Tasche zurück. „Und in diesem Moment“, fügte sie mit zusammengebissenen Zähnen hinzu, „würde ich mich am liebsten in Luft auflösen, bevor mich noch jemand mit seinen Blicken tötet.“

Zu ihrer Überraschung lächelte er. Es war ein Lächeln, das ihn im Bruchteil einer Sekunde von einem finsteren Kerl in einen unwiderstehlichen Herzensbrecher verwandelte.

Jane spürte, wie ihre Knie weich wurden.

„Ich habe eine bessere Idee“, sagte er. „Trinken wir einen Kaffee zusammen.“

„Kaffee …?“, konnte sie nur entgeistert wiederholen.

„Sie schulden mir noch eine Erklärung, und da ich das Gefühl habe, dass es eine längere Geschichte wird, fände ich es bedeutend gemütlicher, sie mir in einem Café anzuhören.“

„Aber …“ Jane zog verwirrt die Stirn kraus. „Machen Sie nicht gerade eine Pause von einer Besprechung oder so etwas? Jedenfalls sahen Sie für mich so aus.“

Er zuckte gleichmütig die Schultern. „Es ist eine grauenhaft langweilige Besprechung, und ich bin sicher, dass man auch ohne mich zurechtkommt.“

„Müssen Sie nicht vorher Ihr Jackett holen?“

„Ich hatte gar keins dabei.“ Er marschierte einfach los, und Jane folgte ihm unwillkürlich.

„Aber Sie können doch nicht einfach …“

„Sang- und klanglos von dem Meeting verschwinden?“, ergänzte er amüsiert. „Harry ist zwar Kummer von mir gewohnt, aber Sie haben recht. Es wäre nur höflich, Bescheid zu sagen, dass ich nicht wiederkomme.“

„Wer ist Harry?“ Die neugierige Frage war Jane herausgerutscht, bevor sie es verhindern konnte.

„Harry kümmert sich um meine geschäftlichen Angelegenheiten und sorgt dafür, dass ich regelmäßig zu öden Besprechungen wie dieser erscheine.“ Ohne seinen Schritt zu verlangsamen, zückte er ein flaches Handy und tippte rasch eine Nummer ein. „Harry? Hör zu, du wirst jetzt wahrscheinlich sauer auf mich sein, aber … Was soll das heißen, du hast es gewusst? … Ja, ich weiß, und es tut mir auch echt leid … Ja, sicher, ich rufe dich später an, okay? Bis dann.“

Als er sein Handy wieder in die Hosentasche schob, standen sie bereits vor dem kleinen Bistro, das sich ganz in der Nähe des Bürogebäudes befand. Er hielt Jane die Tür auf, dirigierte sie zu einem Fenstertisch mit Blick auf den Fluss und erkundigte sich, was sie trinken wolle. Kurz darauf kehrte er mit zwei Cappuccinos vom Tresen zurück.

„Also“, begann er, nachdem er ihr gegenüber Platz genommen hatte. „Zuerst einmal wüsste ich gern, wie Sie heißen.“

„Jane.“ Unter seinem intensiven Blick stieg ihr das Blut in die Wangen. „Jane Redmond.“

Er nickte knapp. „Mitch Holland.“

Vermutlich eine Abkürzung für Mitchell, überlegte Jane. Allerdings war dieser Vorname eher in Amerika gebräuchlich, wohingegen sein Akzent unüberhörbar britisch war. Sehr kultiviert, mit einem leicht elitären Touch.

Er trank einen Schluck von seinem Cappuccino und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Und nun bin ich sehr gespannt zu erfahren, warum Sie mich heimlich fotografiert haben.“

Jane wich seinem Blick aus und drehte nervös ihre Kaffeetasse zwischen den Händen. Da er eindeutig nicht die Absicht hatte, sie vom Haken zu lassen, würde sie ihm wohl oder übel eine Erklärung für ihr seltsames Verhalten liefern müssen.

„Also gut“, sagte sie schließlich. „Aber ich warne Sie, es wird sich ziemlich kindisch anhören.“

„Verraten Sie es mir trotzdem.“

„Heute ist mein fünfundzwanzigster Geburtstag.“

„Herzlichen Glückwunsch“, erwiderte er trocken. „Und weiter?“

Verflixt, dieser Mann war wirklich erbarmungslos. „Ich …“ Jane biss sich auf die Lippe und wünschte sich weit weg. Dann gab sie sich einen Ruck. „Alle haben es vergessen“, platzte sie heraus. „Meine Eltern, mein Bruder, meine Arbeitskollegen … sogar meine Mitbewohnerinnen.“

Energisch blinzelte sie die aufsteigenden Tränen zurück, straffte die Schultern und zwang sich, ihm direkt in die Augen zu sehen. Auf keinen Fall sollte er sie für eine selbstmitleidige Heulsuse halten.

„Da ich mir extra für diesen Tag Urlaub genommen hatte, stand ich vor der Wahl, zu Hause zu bleiben und mir selbst leidzutun oder den Tag zu nutzen, um all das in die Tat umzusetzen, was ich schon immer gern tun wollte und wozu ich bisher nie gekommen bin.“ Sie seufzte und zuckte leicht die Schultern. „Und ich habe mich für Letzteres entschieden.“

„Und was wollten Sie schon immer gern tun?“, erkundigte Mitch sich interessiert.

Jane atmete tief durch. „Ganz oben auf der Liste stand, einen großen, dunklen, attraktiven Fremden zu küssen“, eröffnete sie ihm, bevor der Mut sie wieder verließ. „Aber da ich dazu zu feige war, habe ich Sie stattdessen fotografiert.“

Um seine Mundwinkel zuckte es. „Sie hatten vor, mich zu küssen?“

Jane, die sich innerlich vor Verlegenheit krümmte, erwiderte nichts. Einen Moment lang, der ihr wie eine Ewigkeit erschien, musterte Mitch sie schweigend. Dann beugte er sich vor, legte ihr die Hand in den Nacken, und im nächsten Augenblick spürte sie seine warmen festen Lippen auf ihren.

London verblasste. Die Geräusche im Café – plappernde Stimmen, das Klappern von Geschirr, gedämpfte Musik – drangen wie von fern an Janes Ohr, während sie mit geschlossenen Augen hingebungsvoll seinen Kuss erwiderte. Sie nahm den herben Zitrusduft seines Rasierwassers wahr, das feine Knistern seines Hemdes. Seine Lippen schmeckten angenehm leicht nach Kaffee, gewürzt mit einer erregenden Prise Männlichkeit …

Erst als Mitch ihren Mund wieder freigab, wurde Jane bewusst, wo sie sich befand und dass ihre Finger in seinem weichen, sexy zerzausten Haar vergraben waren.

Du lieber Himmel!

Geschah das wirklich ihr, der ach so vernünftigen, stets besonnenen Jane Redmond?...