Unternehmensschädigendes Verhalten erkennen und verhindern (Praxis der Personalpsychologie, Bd. 15)

von: Friedemann W. Nerdinger

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2008

ISBN: 9783840919718 , 99 Seiten

Format: PDF, ePUB, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 21,99 EUR

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Unternehmensschädigendes Verhalten erkennen und verhindern (Praxis der Personalpsychologie, Bd. 15)


 

2 Modelle (S. 8)

Wie so häufig in der psychologischen – und allgemein der sozialwissenschaftlichen – Forschung, finden sich auch zur Erklärung kontraproduktiven Verhaltens viele verschiedene Erklärungsansätze: Psychologische Phänomene und menschliches Verhalten lassen sich eben je nach dem Blickwinkel, unter dem sie analysiert werden, unterschiedlich erklären. Betrachtet man jeweils konkrete kontraproduktive Verhaltensweisen, können entsprechend viele, sehr spezifische Modelle entwickelt werden.

Zum Beispiel fin- den sich Modelle zur Erklärung von Absentismus (Johns, 2001), von Gewalt am Arbeitsplatz (Martinko & Zellars, 1988), von Sabotage (Klein, Leong & Silva, 1996) oder von sexueller Belästigung (Gutek, Cohen & Konrad, 1990). Im Folgenden sollen nicht solche speziellen Verhaltensweisen erklärt werden, sondern die übergreifende Klasse des kontraproduktiven Verhaltens. Dafür ist es notwendig, allgemeine Erklärungsmechanismen herauszuarbeiten. Auch auf diesem Feld finden sich unterschiedliche Herangehensweisen.

Blickt man auf die Prozesse der Informationsverarbeitung, die einem solchen Verhalten vorauslaufen, erscheint die Wahrnehmung und Erklärung von erlebten Ungleichgewichten entscheidend (Martinko, Gundlach & Douglas, 2002). Stehen bestimmte auslösende Ereignisse im Zentrum des Interesses, kann kontraproduktives Verhalten als Reaktion auf Frustrationserlebnisse im Betrieb (Spector, 1978) oder allgemeiner als eine Stressreaktion betrachtet werden, die von negativen Emotionen gesteuert wird (Spector & Fox, 2005).

Interessiert man sich dagegen in erster Linie für die Motivation kontraproduktiven Verhaltens, erscheint die Erklärung der Absichten, die diesem Verhalten zugrunde liegen, sehr viel wichtiger (Vardi & Weitz, 2004). Diese Blickwinkel werden im Folgenden eingenommen, um ein vollständigeres Bild des komplexen Phänomens zu bekommen.

2.1 Informationsverarbeitungsperspektive: Die Theorie kausalen Schlussfolgerns

Wie der Name Theorie kausalen Schlussfolgerns (causal reasoning theory) andeutet, steht im Kern dieses Ansatzes die Erklärung von Ereignissen durch Schlussfolgerungen, speziell durch die Zuschreibung von Ursachen (Martinko et al., 2002). Diesem Vorgang liegt ein allgemeines menschliches Merkmal zugrunde: Menschen suchen grundsätzlich für subjektiv wichtige Ereignisse nach Erklärungen, zu diesem Zweck schreiben sie den für sie wichtigen Ereignissen bestimmte Ursachen zu. Dieser Vorgang wird daher auch als Attribution, das heißt als Zuschreibung, bezeichnet (Nerdinger, 2003a).

Die für Menschen wichtigen Ereignisse lassen sich prinzipiell auf zwei Klassen von Ursachen zurückführen – Faktoren, die in der Person und solche, die in der Umwelt liegen (Heider, 1958). Die Zuschreibung von Ursachen auf die Person wird als internale Attribution, die Zuschreibung auf Merkmale der Umwelt als externale Attribution bezeichnet. Streicht zum Beispiel ein Vorgesetzter seinem Mitarbeiter eine Prämie, wird dieser vermutlich intensiv über die Ursache dieses für ihn ebenso wichtigen wie unerfreulichen Ereignisses nachdenken.

Schreibt er sich die Ursache selbst zu, möglicherweise seiner Unfähigkeit oder seinem mangelndem Engagement in der Arbeit – eine Erklärung, die ihm vermutlich auch sein Vorge- setzter nahegelegt hat –, attribuiert er die Ursache internal. Erklärt er sich das Ereignis dagegen durch Umstände der Umwelt, zum Beispiel durch die Ungerechtigkeit des Vorgesetzten oder durch die ungünstige Konjunktur, die ein besseres Abschneiden verhindert hat, attribuiert er external. Die Unterscheidung in internale und externale Ursachen wird der Komplexität möglicher Zuschreibungen allerdings noch nicht völlig gerecht. Die genannten Ursachen lassen sich auch danach unterscheiden, ob sie zeitlich stabil sind oder ob sie sich ständig verändern, das heißt zeitlich variabel sind (Weiner, 1994).