Fohlenmedizin

von: Kerstin Fey, Gabriela Kolm

Enke, 2010

ISBN: 9783830411529 , 456 Seiten

Format: PDF, OL

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Preis: 29,99 EUR

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Fohlenmedizin


 

17 Neonatale Prä- und Dysmaturität (S. 198-199)

Rainer Hospes

Das unreife Fohlen ist in vielerlei Hinsicht als ein problematischer Patient zu bezeichnen. Bereits die richtige Einschätzung des Maturitätsgrades kann schwierig sein, die Tierbesitzer fordern vor dem Hintergrund der zu erwartenden Kosten einer Therapie eine möglichst genaue Einschätzung der Kurz- und Langzeitprognose, die Trennung von der Mutterstute ist häufig unvermeidlich, der medikamentöse, pflegerische und apparative Aufwand ist beträchtlich. Diese Faktoren und etliche weitere müssen in die Betrachtung einbezogen werden, wenn man sich tierärztlich zur Übernahme der Verantwortung für die Therapie eines vorzeitig und/oder unreif geborenen Fohlens entschließt.

17.1 Definition

Im Allgemeinen wird der Begriff der Prämaturität zur Beschreibung des Reifegrades eines Fohlens zum Geburtszeitpunkt in den Fällen gewählt, in denen ein Fohlen vor Ablauf der üblichen Trächtigkeitsdauer von 335 ± 15 Tagen geboren wird.

* Merke: Vor dem 320. Trächtigkeitstag zur Welt gekommene Fohlen sind rechnerisch per definitionem als prämatur zu bezeichnen.

Als ätiologische Faktoren zur vorzeitigen Geburt unreifer Fohlen kommen unter anderem infektiöse Geschehen, erhebliche Stressexposition der hochtragenden Stute, vorzeitige und vorschnelle Geburtsinduktion oder die vorzeitige Schnittentbindung im Rahmen der chirurgischen Behebung intestinal bedingter Kolikursachen oder der antepartalen Torsio uteri in Frage.

Als dysmatur werden Fohlen definiert, die nach normaler oder gar verlängerter Trächtigkeitsdauer geboren werden, aber dennoch klinische Anzeichen einer Prämaturität aufweisen. Ursachen für die Dysmaturität (Reifungsstörung) sind vornehmlich in der plazentären Dysfunktion zu suchen. Die Problematik der genauen Definition und diskriminierenden Begriffsunterscheidung zwischen Prä- und Dysmaturität wird am Beispiel der Zwillingsträchtigkeit deutlich: Vor Erreichen des 320. Trächtigkeitstages geborene Zwillingsfohlen wären per definitionem als prämatur zu bezeichnen. Sie weisen aber regelmäßig Anzeichen der Dysmaturität auf, da die vorliegende Reifungsstörung durch die plazentäre Dysfunktion der Ernährung zweier Früchte statt lediglich einer bedingt ist.

Die mehr theoretische Diskussion, ob im Einzelfall eher von Prä- denn von Dysmaturität gesprochen werden sollte, ist aus klinischer Sicht weitgehend irrelevant: Es handelt sich beim Patienten um ein unreif geborenes Fohlen, das sofortiger intensivmedizinischer Betreuung bedarf.

17.2 Symptome und Maturitätsbewertung


In einer Befragung von auf die Tierart Pferd spezialisierten Tierärzten nach ihren klinischen Kriterien zur Bewertung eines Fohlens als „prämatur“ zeigte sich ein recht inhomogenes Bild: Trächtigkeitsdauer, Körpermasse, Kopfform, Haarkleid, Durchtrittigkeit und der Durchbruch der Prämolaren waren die meist genannten Kriterien, entweder als Einzelnennung oder in unterschiedlichen Kombinationen.

* Merke: Die korrekte Einschätzung des Reifegrades anhand eines oder einiger weniger der im Folgenden genannten Befunde ist kaum möglich – der gewonnene Gesamteindruck unter Beachtung und Würdigung der genannten Hinweise ist für die Maturitätsbewertung entscheidend.