Der graue Schleier

Der graue Schleier

von: Thomas Hosche

Thomas Hosche, 2008

ISBN: 9783939845386 , 70 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: DRM

Windows PC,Mac OSX Apple iPad, Android Tablet PC's Online-Lesen für: Windows PC,Mac OSX,Linux

Preis: 16,80 EUR

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Der graue Schleier


 

S. 5-6

Ende August 2006 hatte ich keine Lust mehr. Ich kannte Gott flüchtig, wir kommunizierten ab und zu miteinander und ich habe bis dahin auch schon die ein und die andere erstaunliche Erfahrung gemacht. Dennoch hat sich mein Leben nicht wirklich verändert. Ich lebte damals in Scheidung, bereits ein halbes Jahr nach der Hochzeit und die ganzen Kosten mitsamt meinen Schulden die ich noch von früher hatte, erdrückten mich. Ich bekam bei SIG damals zwischen eintausendfünfhundert und eintausendsechshundert Euro im Monat, davon blieben nach den Raten für Anwalt, Gericht, Auto, Altschulden, Trennungs- und Unterhaltsgeld circa dreihundert Euro übrig und kein Ende in Sicht. Von diesem Geld müsste ich auch noch Versicherungen und Reparaturen bezahlen. War ich mit einem fertig, kam das Nächste. Wie auch immer, das funktionierte auf Dauer nicht für mich. Dabei hatte ich noch das Glück, nach der Trennung von meiner Frau, wieder bei meinen Eltern wohnen zu können. Das wirklich unerträgliche daran war es jedoch zu wissen, dass da noch viel mehr ist und ich allein die volle Verantwortung für mein Leben trage und dennoch brachte ich in meinen Augen nichts zu Stande.

Es kam mir alles so lächerlich und sinnlos vor. Ich fragte mich wozu es gut sein sollte, hart an sich zu arbeiten, seine Einstellungen zu ändern, und ich war mir sicher das ich dies tat, wenn sich das dann nicht bezahlt machte. Mein Leben machte für mich also keinen wirklichen Sinn, es kam mir zeitweise sogar vergeudet vor. Oft war ich auch sehr verwirrt, ich konnte meine Gedanken und das, was Gott mir sagte, nicht sicher voneinander unterscheiden. Einige Dinge, die ich glaubte zu hören, erschienen mir einfach zu fremd, widersprüchlich und unglaubwürdig. Verrückt klangen sie allemal. Das ich mich zeitweise schon als Patient in unserer Psychiatrie Tischtennis spielen sah, ist mein voller Ernst. Ich kannte unsere Nervenklinik schon von der Zeit, als ich einige meiner Bekannten dort besuchte und in gewisser Weise hatte ich auch Angst, den nächsten „Volltreffer“ zu landen. Insgeheim bewunderte ich diejenigen von uns, die sagten, dass sie glücklich sind mit ihrer Arbeit und ihrer Familie und ihren Hobbys. Es gab Momente, da beneidete ich sie darum, wohl wissend, dass dies für mich so nie in Frage kam. Also setzte ich mir selbst und Gott eine Frist bis zum 11. oder 12. September 2006. Ich konnte mich damals nicht auf einen Tag einigen, den Rest plante ich jedenfalls so gut ich konnte, ordnete meine Sachen, vergewisserte mich, dass wenigstens das Geld, aus einer vor vielen Jahren zusammen mit einem Kredit abgeschlossenen Risiko- Lebensversicherung für meine Beerdigung da sein würde, und schrieb jeden Abend ein paar Zeilen an Gott. Ich zählte die Tage für uns rückwärts. Man könnte sagen, ich versuchte ihm zu drohen, ihn unter Druck zu setzten. Ich forderte von ihm ein Wunder, irgendein Wunder, wenigstens ein finanzielles, das andere ergibt sich dann von selbst, so dachte ich. Jedenfalls war ich fest entschlossen, dieses Leben endet, so oder so.

Der 11. September verging und ich unternahm nichts. Am nächsten Tag ging ich in die Stadt um bei meinem Lieblings-Asiaten zu essen, ein Gefühl sagte mir, dass ich noch etwas länger bleiben sollte als üblich und so bestellte ich mir noch einen Tee, den ich in aller Seelenruhe trank. Als ich mich auf den Weg nach Hause begab, begegnete ich meinem Freund Frank Degenhardt, der seinen kleinen Sohn im Kinderwagen vor sich her schob. Er wollte noch einen Kaffee beim Italiener trinken und ich ging mit. Gott hatte mir an diesem Tag einen wunderbaren Boten gesandt. Ich danke Dir Frank, ich schätze Dich sehr. Und ich danke Dir Gott.

Wir hatten uns kaum hingesetzt, als eine Frau vorbei kam. Wir hatten uns in den letzten acht Jahren ganze dreimal gesehen. Ich winkte ihr zu und sie setzte sich zu uns. Ein großartiges Gefühl stieg in mir auf. Zu meiner Gelassenheit, die mir schon den ganzen Tag innewohnte, kam jetzt noch eine unbeschreibliche Heiterkeit und Freude hinzu. Ich will hier noch einfügen, was es mit ihr auf sich hat.

Vor vielen Jahren hatten wir mal eine, für mich ganz besondere Beziehung miteinander. Sie war für mich das, was man als die erste große Liebe bezeichnet. Ich war damals allerdings nicht sehr gut darin, meine Gefühle zum Ausdruck zu bringen, weder auf die eine noch auf die andere Weise. Das war auch der Hauptgrund, warum das Ganze nach ungefähr drei Jahren scheiterte. Ich behauptete damals sogar, ich empfinde nichts für sie und sei froh, sie los zu sein.
NICHTS DAVON IST WAHR.

Ich habe aus Egoismus, Dummheit und Arroganz die für mich großartigste Frau und Partnerin, die ich auch als einen Engel bezeichne, erfolgreich vertrieben. Als mir einige Zeit darauf bewusst wurde, welch großen Fehler ich begangen habe und ich erkannte, dass es zu spät war, schwor ich mir, nie wieder Gefühle der Liebe und Zuneigung zu verleugnen. Denn die Liebe zu verleugnen, heißt Gott zu verleugnen und Gott zu verleugnen heißt uns selbst zu verleugnen und uns selbst zu verleugnen heißt das Leben zu verleugnen und damit die Freude und die Herrlichkeit, die das Leben ist.

Sie hatte jedenfalls an diesem Tag wenig Zeit für mich, weil sie ihre beiden Kinder noch abholen wollte und erzählte mir nur kurz von ihrem Freund und das sie bald weggeht aus Wittenberg. Sie fragte nach meiner Handynummer und ging mit den Worten, dass sie sich mal wieder mit mir treffen wollte. Das wollte ich auch, denn ich musste unbedingt einiges in Bezug auf uns richtig stellen. Ich wollte ihr endlich sagen, wie sehr ich sie geliebt habe und wie unendlich dumm ich damals war. Ich brannte förmlich darauf, sie wieder zu sehen, um mich endlich von dieser Last zu befreien, die ich acht Jahre mit mir trug. Noch am gleichen Abend erhielt ich eine Nachricht von ihr, sie hatte sich ein neues Mobiltelefon besorgt, und berichtete mir, dass sie es endlich im Griff habe. Jetzt hatte ich jedenfalls ihre Nummer. Am Abend des nächsten Tages lag ich auf meinem Bett und dachte über unsere Begegnung nach, als mir schlagartig bewusst wurde, dass meine Liebe für diese Frau in all den Jahren noch viel intensiver geworden ist.