Schmerzdokumentation in der Praxis - Klassifikation, Stadieneinteilung, Schmerzfragebögen

von: Erdmute Pioch

Springer-Verlag, 2005

ISBN: 9783540272991 , 172 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 13,48 EUR

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Schmerzdokumentation in der Praxis - Klassifikation, Stadieneinteilung, Schmerzfragebögen


 

2 Klassifikationen (S. 5)

Medizinische Klassifikationen, Stadieneinteilungen und Graduierungen sind methodisch verwandte, nach ihren Zielen und Kriterien der Systematisierung unterschiedliche Werkzeuge zur Einteilung von Gesundheitsstörungen:

Klassifikationen dienen einer »systematischen Einteilung von Begriffen, die durch gemeinsame Merkmale miteinander verbunden sind« (dtv-Brockhaus, 2000). In der Beschreibung von Gesundheitsstörungen stehen dabei ätiologische Kriterien bzw. Diagnosen im Vordergrund.

Stadien gehen von einer zugrunde liegenden Gesundheitsstörung aus. Sie beschreiben Abschnitte bzw. den Verlauf einer Krankheitsentwicklung. Ein lineares zeitliches Kontinuum wird vorausgesetzt.
Graduierungen hingegen beschreiben eine Abstufung gemäß dem Schweregrad einer Störung. Diese misst sich anhand von objektiven Kriterien (z. B. Klinik, Labor) oder auch subjektiver Kriterien (z. B. Lebensqualität, Beeinträchtigungsempfinden). Dabei ist eine zeitliche Linearität nicht implizit.

Hinter jeder Klassifikation, Stadieneinteilung oder Graduierung verbergen sich spezifische Vorstellungen über Gesundheit und Krankheit, Vorstellungen über die Ätiologie und Pathogenese der zu beschreibenden Störung und auch therapeutische Implikationen. Sie werden durch die jeweils gültigen Gesundheits- und Krankheitsmodelle ganz wesentlich beeinflusst. Somit werden sie auch unbrauchbar, sobald sich das zugrunde liegende Krankheitskonzept verändert hat, neue Faktoren hinzutreten oder andere sich als obsolet erweisen. In der heutigen schnelllebigen Medizin bedarf es deswegen immer wieder neuer Überarbeitungen der Kataloge von Klassifikationen, Stadien und Graduierungen.

Eine wichtige Aufgabe dieser Systematiken ist es, die Sprache und Betrachtungsweisen zu ordnen und zu systematisieren. Viele unterschiedliche Forschungsansätze, therapeutische Herangehensweisen und fachliche Spezialisierungen bilden eigene sprachliche Blüten aus, die über Klassifikationen eine gemeinsame (wenn auch manchmal umstrittene) Basis finden. In der Schmerzmedizin, als interdisziplinäre Disziplin, ist die sprachliche und inhaltliche Systematisierung daher umso wichtiger. Mit dem Buch Schmerzdokumentation in der Praxis wird eine Auswahl von Klassifikationen, Stadien und Graduierungen vorgestellt, entsprechend der heutigen klinischen Relevanz für Tätige im Bereich der Schmerzmedizin.

Der ICD, als allgemein bekannte Klassifikation, wird nicht detailliert 2 beschrieben. Stattdessen wird seine Problematik im Zusammenhang mit der Schmerzmedizin diskutiert. Ebenso kann die DSM-IV aufgrund der Länge nur überblicksmäßig betrachtet werden. Die derzeit wichtigste Klassifikation im deutschen Sprachraum, die Multiaxiale Schmerzklassifikation – MASK – wird entsprechend ihrer Bedeutung ausführlich dargestellt.

Es handelt sich bei ihr um die bedeutendste deutschsprachige Schmerzklassifikation. Sie wurde von Arbeitsgruppen der DGSS entwickelt. Dennoch findet sie nur langsam Eingang in die tägliche klinische Praxis. Als Vorläuferversion der MASK kann die Klassifikation der Internationalen Association of the Study of Pain (IASP) betrachtet werden. Sie ist wohl der älteste Versuch, Schmerzerkrankungen zu systematisieren. Als Stadieneinteilung zur Schmerzchronifizierung wird das MPSS (Mainzer Pain Stage System) nach Gerbershagen et al. vorgestellt. Diese Einteilung nach Chronifizierungsstadien erfreut sich einer großen klinischen Aufmerksamkeit, da sie einfach zu handhaben, übersichtlich und im Vergleich zu ihrer einfachen Konstruktion erstaunlich aussagekräftig ist.

Der Vollständigkeit halber sollen die Schmerzgraduierungen nach von Korff et al. vorgestellt werden. Dieses relativ wichtige epidemiologische Instrument kommt aus dem anglo-amerikanischen Sprachraum und wird dort häufig eingesetzt. Für den klinischen Alltag erscheint das Instrument ein wenig zu oberflächlich, für große Studien aber aussagekräftig und einfach in der Anwendung. Mit dem Sommerfelder Befundsystem (SoBs) wird ein weiterer Baustein zur differenzierten interdisziplinären Schweregradeinschätzung vorgestellt. Hierbei handelt es sich um eine sehr junge, etwas unbekanntere Systematik, die erst in den letzten Jahren (ca. 2000) entwickelt wurde. Sie bezieht sich auf ein interessantes Konstrukt eines bio-psycho-sozialen Krankheitsmodells mit Schwerpunkt in der Betrachtung funktioneller Störungen. Diese Schweregradeinteilung für Schmerzerkrankungen des Bewegungssystems kann als ein multiaxiales System einer interdisziplinären Diagnostik verstanden werden.