Willensbestimmung zwischen Recht und Psychiatrie - Krankheit, Behinderung, Berentung, Betreuung

von: Jürgen Müller, Göran Hajak

Springer-Verlag, 2005

ISBN: 9783540280507 , 156 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 62,94 EUR

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Willensbestimmung zwischen Recht und Psychiatrie - Krankheit, Behinderung, Berentung, Betreuung


 

Patientenbriefe und Patientenautonomie am Ende des Lebens (S. 51-52)

Andreas Spickhoff
Lehrstuhl für Bürgerliches Recht
der Universität Regensburg
Universitätsstr. 31
93053 Regensburg

1 Einleitung

Die Sicherung der freien Entfaltung der Persönlichkeit und der Menschenwürde ist das zentrale Anliegen jeder freiheitlichen Rechtsordnung. Nicht nur, aber auch bei einem sich abzeichnenden Ende des Lebens wirft die Konkretisierung dieses Anliegens besondere Probleme auf. Es geht dann um die Sicherung der sog. Patientenautonomie, insbesondere gegenüber ärztlichem oder sonst fremdbestimmendem Verhalten. Zunehmend wird der Wille der Patienten irgendwann, mehr oder weniger ausführlich, niedergelegt oder geäußert. Und es stellt sich dann die Frage, wie weit die Bindungswirkung solcher Anweisungen reicht. Bezeichnet werden sie – juristisch eher irreführend, aber üblich geworden – als sog. Patientenverfügungen, zum Teil auch Patiententestamente oder Patientenbriefe mit den weiteren Varianten der Betreuungsverfügung und der Vorsorgevollmacht.

Natürlich müssen solche Anordnungen nicht erst zu einer Zeit erstellt werden, zu welcher der oder die Betroffene als Patient(in) in ärztlicher Behandlung stehen. Die Patientenverfügung ist darauf gerichtet, vor einer Erkrankung bzw. dem Sterbeprozess den Willen des Patienten so verbindlich zum Ausdruck zu bringen, dass die entsprechenden Weisungen so weit wie möglich auch, ja gerade dann befolgt werden, wenn es zu einer Ausschaltung des Bewusstseins oder zu einer durchgreifenden Bewusstseinsstörung gekommen ist, die einer entsprechenden – wirksamen – Artikulation entgegensteht. Das damit angesprochene Thema war aufgrund vieler Zweifel gerade auf juristischem Gebiet Gegenstand des Deutschen Juristentages 2000 in Leipzig. In der Diskussion ist dabei deutlich geworden, dass nicht nur diejenigen um eine Lösung ringen, die als Patienten potentiell betroffen sind. Oft wird eine strikte und weitestgehende Bindung an solche Anordnungen bis hin zur sog. aktiven Sterbehilfe propagiert. Auch die Ärzteschaft ist besorgt um das Patientenwohl, steht daneben aber ebenso in der Sorge vor überraschend drohenden rechtlichen Sanktionen; als Stichworte seien nur genannt: standesrechtliche und ggf. disziplinarrechtliche Konsequenzen, Haftung auf Schadensersatz und Schmerzensgeld, und nicht zuletzt die Strafbarkeit.

2 Grenzen der Patientenautonomie: Strafbarkeit der Sterbehilfe

2.1 Arten


Damit ist aber zugleich die erste und hauptsächliche Grenze der Patientenautonomie angesprochen. Sie besteht in der möglichen Strafbarkeit der Sterbehilfe. Kein Arzt kann vom Patienten dazu gezwungen werden, eine Straftat zu begehen. Wel che Formen der Sterbehilfe kennen wir? Aktive Sterbehilfe meint das positive Eingreifen mit dem Ziel der Verkürzung des Lebens. Passive Sterbehilfe umfasst den Behandlungsverzicht beim Sterbenden oder die Beendigung von Maßnahmen, die das menschliche Sterben verlängern. Auf der Grenze steht die sog. mittelbare oder indirekte Sterbehilfe. Sie bezieht sich auf Fälle der unbeabsichtigten, aber in Kauf genommenen Nebenwirkung einer therapeutischen Maßnahme, die den Eintritt des Todes beschleunigt, etwa im Zusammenhang mit der Schmerzlinderung. Die Notwendigkeit dieser Fallgruppe wird gelegentlich von Medizinern bestritten.

2.2 Ausländische Rechtsordnungen

In jüngster Zeit haben neue Regelungen im Ausland, insbesondere in den Niederlanden, auch unsere Diskussion zur Sterbehilfe wiederbelebt. Niederländische Gerichte hatten sich schon in den 70er Jahren daran gemacht, die auch dort an sich strafbare Tötung auf Verlangen und die – anders als in Deutschland – gleichfalls strafbare Beihilfe zum Selbstmord zu rechtfertigen. Im Anschluss daran gibt es nun einen entsprechenden ausdrücklichen Strafausschließungsgrund auch für aktive Sterbehilfe im Gesetz. Er greift bei aussichts- und ausweglosem, unerträglichem Leiden eines voll informierten Patienten, der – frei verantwortlich und sorgfältig überlegt – Sterbehilfe verlangt. Außerdem muss ein weiterer unabhängiger Arzt hinzugezogen, gewissermaßen eine second opinion eingeholt werden. Nach dem Tode ist ein Leichenbeschauer zu informieren, der den Fall einer regionalen Prüfungskommission meldet. Diese prüft ihn dann, freilich erst im Nachhinein. Minderjährige können ab dem 16. Geburtstag selbst entscheiden, jüngere bis hin zu 12-Jährigen mit Zustimmung der Eltern.

Eine solche Zulassung der aktiven Sterbehilfe stellt im internationalen Vergleich4 den seltenen Ausnahmefall dar. Japanische Gerichte scheinen sie noch zum Teil zu tolerieren. Und in Australien ist die aktive Sterbehilfe wieder insgesamt verboten worden. Von 1995-1997 war sie in einer Provinz im Norden dieses Kontinents aufgrund eines regionalen Gesetzes erlaubt worden. Nur 4 Personen sollen Gebrauch von dieser Möglichkeit gemacht haben.