Bewährungsproben einer Nation. - Die Entsendung der Bundeswehr ins Ausland. Mit einem Vorwort von Volker Rühe.

von: Christoph Schwegmann

Duncker & Humblot GmbH, 2011

ISBN: 9783428535705 , 264 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 39,90 EUR

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Bewährungsproben einer Nation. - Die Entsendung der Bundeswehr ins Ausland. Mit einem Vorwort von Volker Rühe.


 

Die Parlamentsbeteiligung in Regierung und Opposition: Die LINKE (S. 155-156)

Von Paul Schäfer


Das Bundesverfassungsgericht hat 1994 geklärt: Der Deutsche Bundestag muss entscheiden, ob Soldatinnen und Soldaten in bewaffnete Einsätze außerhalb des Landes geschickt werden. Spätestens seit dieser Zeit gilt die Bundeswehr als Parlamentsarmee. Aber auch wenn dies eine demokratische Errungenschaft ist, muss sie trotzdem tagtäglich mit Leben gefüllt werden. Das Bundesverfassungsgericht knüpfte damals die deutsche Beteiligung an internationalen Militärmissionen an zwei Voraussetzungen: Deutschland dürfe nur im internationalen Verbund Soldaten schicken, womit das Gericht nationale Alleingänge ausschloss. Und das Parlament muss an den Entscheidungen über bewaffnete Einsätze konstitutiv beteiligt werden.

Damit wurde im Grunde den besonders stark ausgeprägten Reserven und Vorbehalten der deutschen Gesellschaft gegenüber einer „militarisierten Außenpolitik“ Rechnung getragen. Im Prinzip wurde der gerade in Zeiten der Globalisierung immer wichtiger werdende Regierungsbereich der Außen- und Sicherheitspolitik der parlamentarischen und öffentlichen Kontrolle ausgesetzt. Die Zeiten der einsamen und intransparenten Kabinettsentscheidungen sind damit eigentlich vorbei. Um die Abgeordneten in die Lage zu versetzen, ihre Entscheidungen nach bestem Wissen und Gewissen zu fällen, müssen sie durch die Regierung möglichst umfassend unterrichtet werden.

So sieht es das Gesetz vor. Und parlamentarische Befassung bedeutet zugleich, dass auch die Öffentlichkeit über die Medien an diesen weitreichenden Entscheidungen Anteil nimmt. So weit die Theorie. Die bisherigen Erfahrungen haben dagegen gezeigt, dass zwischen den Buchstaben des Gesetzes und der gelebten Wirklichkeit erhebliche Diskrepanzen bestehen können. Als in Deutschland in Sachen „Auslandseinsätze der Bundeswehr“ eine Art Allparteien-Konsens vorherrschte – dies war zwischen 2002 und 2005 der Fall – und danach eine Große Koalition regierte, konnte von parlamentarischer Kontrolle und breiter öffentlicher Debatte keine Rede sein – mit Ausnahme des Irak-Krieges von 2003.

Im Mittelpunkt stand nicht die Sinnhaftigkeit und Legitimität der jeweiligen Militärinterventionen, sondern das Bemühen der Regierung, über den Bundestag die größtmögliche Legitimation für ihre Militäreinsätze zu bekommen. Wohin so ein Allparteien-Konsens führt, zeigt die derzeitige Afghanistan-Debatte: Obwohl stabile Mehrheiten der Bevölkerung seit geraumer Zeit die deutsche Beteiligung am Isaf-Einsatz ablehnen und die Forderung nach einem raschen Rückzug der Truppen unterstützen, besteht eine große Diskrepanz zum regelmäßigen Votum des Parlaments.

Dass dieser Umstand vor allem den beteiligten Soldatinnen und Soldaten schwer zu schaffen macht, liegt auf der Hand. Ob er sich auf Dauer aufrechterhalten lässt, ist die Frage, die sich den politischen Entscheidungsträgern stellt und erheblichen Druck dahingehend auslöst, den geordneten Rückzug der Bundeswehr-Einheiten so schnell als möglich ins Auge zu fassen.