Funkelnd wie ein Diamant

Funkelnd wie ein Diamant

von: Teresa Hill

CORA Verlag, 2010

ISBN: 9783862950829 , 144 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: DRM

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Preis: 2,49 EUR

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Funkelnd wie ein Diamant


 

1. KAPITEL

Paige McCord lag ausgestreckt auf einem Hügel etwa eine Meile von Travis Foleys Ranch in Texas entfernt und spähte durch ihren starken Feldstecher. Es war der dritte Tag ihrer kleinen Erkundungsmission. Anfang November war es für die Jahreszeit warm, aber nicht zu heiß für eine solche Aktion. Das Herbstlaub entfaltete seine ganze Farbenpracht, aber Paige war nicht hier, um die Landschaft oder das Wetter zu genießen.

Auch wenn es einen bestimmten Anblick gab, von dem sie zugeben musste, dass er ihr gefiel.

Da kam er wieder.

Paige sah auf die Uhr. Fast halb vier.

„Du bist heute einen Tick zu spät, was?“, fragte sie leise und stellte das Fernglas schärfer, als der Mann den Trampelpfad zum Eingang der alten Mine hinaufging.

Paige war sechsundzwanzig und in Texas geboren und aufgewachsen. Sie war kein junges Mädchen mehr, das sich von einem Cowboy den Kopf verdrehen ließ, nur weil er sein ganzes Leben im Freien verbrachte und harte körperliche Arbeit verrichtete. Was ihm zugegebenermaßen kräftige Muskeln und eine sonnengebräunte Haut verlieh.

Hinzu kam die typische Art, sich zu bewegen, dieser wiegende Gang, noch dazu in abgetragenen, verwaschenen Jeans, die seine athletische Gestalt betonten.

Komplettiert wurde der lässige Look durch teure Stiefel, an denen die jahrelange harte Arbeit sichtbare Spuren hinterlassen hatte, einen breitkrempigen Hut, der nicht aus modischen Gründen getragen wurde, und Bartstoppeln, die zeigten, dass er schon im Morgengrauen aufgestanden war und seine Tage lang waren.

Er war ein Bild von einem Mann, aber Paige sah all das nicht zum ersten Mal. Außerdem hatte sie Wichtigeres zu tun, als einen attraktiven Mann zu bewundern.

In ihrem Leben schien sich alles viel zu schnell zu ändern, und der unerwartete Umbruch drohte sie aus der Bahn zu werfen.

Paiges ältere Brüder hatten sich gerade verlobt, und sie hoffte, dass die beiden wussten, was sie taten. Tate, ihr zweitältester Bruder, war nach zwei Einsätzen als Militärarzt in Nahen Osten nach Hause zurückgekehrt. Er hatte sich verändert und war nicht mehr derselbe Mann wie früher. Sie hatte sich eine Weile große Sorgen um ihn gemacht. Dann hatte er sich auch noch von seiner Verlobten Katie getrennt und sich kurz darauf mit Tanya verlobt, der Tochter der langjährigen Haushälterin der McCords. Paige mochte Tanya. Wirklich. Sie war nur immer davon ausgegangen, dass Tate irgendwann Katie heiraten würde. An die neue Situation konnte sie sich noch nicht recht gewöhnen.

Wenig später hatte ihr ältester Bruder Blake auf einmal Interesse an Katie gezeigt, und diese hatte gerade seinen Heiratsantrag angenommen!

Paige konnte noch immer nicht fassen, wie schnell das alles gegangen war. Sie hoffte nur, dass die beiden Brüder sich nicht entzweiten, denn ihre Familie hatte auch so schon genug Probleme.

Ihre Cousine Gabby, weltbekanntes Supermodel, verwandt mit dem italienischen Königshaus und Aushängeschild des Juwelenimperiums McCord Jewelers, hatte sich nicht mit einer Verlobung begnügt, sondern war mit ihrem Bodyguard durchgebrannt und hatte ihn gleich geheiratet!

Paige wurde fast schwindlig, wenn sie daran dachte.

Und als wäre das alles noch nicht genug, hatte Paiges Zwillingsschwester Penny plötzlich Geheimnisse vor ihr, nachdem sie beide immer unzertrennlich gewesen waren. Als Paige das letzte Mal mit Gabby gesprochen hatte, hatte ihre Cousine ihr alle möglichen Fragen über Penny gestellt, und sie hatte keine einzige beantworten können. Gabby war sicher, dass irgendetwas nicht stimmte.

Paige erkannte ihre Familie kaum wieder.

Selbst ihre Mutter war über Nacht ein anderer Mensch geworden.

Genau wie ihr jüngster Bruder.

Und ihr Vater, der vor fünf Jahren gestorben war.

Paige stand noch immer unter Schock. Erst in diesem Sommer hatte Eleanor McCord ihren Kindern gebeichtet, dass sie vor langer Zeit eine Affäre mit Rex Foley gehabt hatte – mit dem Patriarchen einer Familie, die seit dem Bürgerkrieg mit den McCords verfeindet war. Und nicht nur das, sie hatte Jahre später ein Kind von ihm bekommen! Charlie, ihr jüngster Bruder, war in Wirklichkeit Rex Foleys Sohn!

Nur vage erinnerte Paige sich an die Zeit, in der in der Villa der Familie in Dallas eine äußerst angespannte Atmosphäre geherrscht hatte. Sie und ihre Schwester waren durch die Räume geschlichen und hatten sich in den Ecken versteckt. Vor den aufgebrachten Wortwechseln und all den Tränen, die ihre Mutter vergoss, während ihr Vater angeblich auf einer Geschäftsreise war.

Jetzt, nach jenem schrecklichen Sommer, ging es zu Hause wieder ähnlich zu.

Irgendwann war ihr Vater zurückgekehrt, ihre Mutter hatte endlich zu weinen aufgehört, und dann war Charlie auf die Welt gekommen. Der fröhliche, liebenswerte Charlie.

Paige und ihre Schwester waren damals fünf gewesen und hatten sich riesig über das Baby gefreut. Für sie war der kleine Junge das schönste Geschenk gewesen, das sie jemals bekommen hatten, und sie hatten mit ihm gespielt, als wäre eine ihrer Puppen zum Leben erwacht.

Sie war glücklich gewesen und hatte geglaubt, dass es immer so bleiben würde.

Alles nur Lügengebilde.

Noch immer litt sie unter den vielen Lügen, die erzählt worden waren, und sie fragte sich, wie die Familie damit fertigwerden sollte. Aber zu lange durfte sie nicht darüber nachdenken, wenn sie nicht in Tränen ausbrechen wollte.

Deshalb war Paige für jede Ablenkung dankbar. Zum Glück hatte sie eine Aufgabe gefunden, auf die sie sich voll und ganz konzentrieren musste.

Eine Aufgabe, die für ihre Familie sehr wichtig war.

Sie war heilfroh, Dallas und die angespannte Atmosphäre in der Villa der McCords für eine Weile hinter sich lassen zu können.

Es tat so gut, an einem herrlichen Novembertag im Gras zu liegen und durchs Fernglas einen Mann zu betrachten, der sie allein durch sein Aussehen auf andere Gedanken brachte.

Jetzt stieg er von seinem kastanienbraunen Pferd, ließ es in Ruhe aus dem nahe gelegenen Bach trinken und dann – heute schien wirklich Paiges Glückstag zu sein – knöpfte er auch noch sein Shirt auf.

Oh. Womit habe ich das verdient?

Er zog ein Tuch aus der Gesäßtasche, bückte sich, tauchte es ins Wasser und drehte sich zu Paige um.

Hastig nahm sie das Fernglas von den Augen, als könnte er sie auf diese Entfernung sehen. Sein Gesicht war nicht zu erkennen, aber Paige glaubte, er hätte es zu einem selbstbewussten und zufriedenen Grinsen verzogen.

Sie hob den Feldstecher wieder, richtete ihn auf den Mann und beobachtete gebannt, wie er sich nach dem langen Arbeitstag den Staub abwusch. Er blickte zum Himmel und ließ das Wasser über das Gesicht, den Hals und die wie gemeißelt aussehenden Muskeln an Brust und Bauch rinnen.

Was für ein Anblick.

Das Wasser muss kalt sein, dachte sie. Hier im Hügelland von Texas waren die Tage warm, aber nachts kühlte es stark ab. Manchmal herrschten nur fünf Grad. Das wusste sie, weil sie ihr Zelt nur wenige Meilen westlich von Travis Foleys Ranch im Nationalpark aufgeschlagen hatte. Die nahe gelegene Kleinstadt Llano mied sie, denn dort fiel jeder Fremde sofort auf.

Und niemand – schon gar nicht Travis Foley – durfte wissen, dass sie hier war.

Paige konzentrierte sich wieder auf ihren Cowboy. Seit zwei Tagen kam er nun schon her und arbeitete hart. Er brachte verirrte Rinder zur Herde zurück, reparierte beschädigte Weidezäune und hielt nach Eindringlingen Ausschau, während sein Chef Travis Foley vermutlich in seiner klimatisierten Villa am Rand der Ranch auf der faulen Haut saß, die Öldollar seiner Familie zählte oder die Aktienkurse verfolgte.

Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ein Foley täglich in den Sattel stieg und sich auf seinem Land die Hände schmutzig machte.

Dafür hatte er Männer wie diesen Cowboy, den sie gerade beobachtete.

Er trocknete sich ab, knöpfte sein Shirt zu, lehnte sich gegen einen großen Felsbrocken und legte den Kopf zurück, als wollte er die Herbstsonne oder die warme Nachmittagsbrise genießen.

Aber vielleicht war er auch nur erschöpft von der Arbeit oder seinen eigenen Problemen. Oder er hatte sich nach der Stille und dem Frieden in diesem abgelegenen Winkel der Ranch gesehnt.

Hätte Paige die Zeit dafür, hätte sie die Pause mit ihm zusammen genossen und sie vielleicht sogar bis weit nach Sonnenuntergang ausgedehnt. Wie kam sie bloß auf solche Gedanken? Es war noch nie ihre Art gewesen, mit fremden Männern eine Nacht zu verbringen. Aber der Sommer war schlimm gewesen, und manchmal wurde es ihr zu viel. Die Sorgen gingen ihr nicht mehr aus dem Kopf, und dann wurde der Druck so stark, dass sie einfach nur schreien wollte.

Dieser Mann, dieser Cowboy … konnte sie bestimmt alles vergessen lassen.

Und wenn es nur für eine einzige Nacht war. Leider hatte sie nicht mal dazu Zeit. Aber eine Frau durfte doch träumen, oder?

Wenn er wieder fort war, blieben ihr vierundzwanzig Stunden, bis er an den Bach zurückkehrte. Jedenfalls war es an den letzten drei Tagen so gewesen. Sie hatte...