Warten, aber richtig! - Praxishandbuch zum Management wartender Patienten

von: German Quernheim

Hogrefe AG, 2017

ISBN: 9783456955162 , 320 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 26,99 EUR

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Warten, aber richtig! - Praxishandbuch zum Management wartender Patienten


 

2 Wie erleben Patienten Warten? (S. 43-44)

2.1 Studienergebnisse

In meinen Jahren als Krankenpfleger, Praxisanleiter und Pflegepädagoge beschäftigte mich in mehreren Kliniken der Umgang mit wartenden Patienten. Ich entwickelte meine eigenen Hypothesen und suchte nach einer wissenschaftlich fundierten Antwort. Die Studienlage sah bis dato folgendermaßen aus: Untersuchungen in klinischen Settings zeigen eine allgemeine starke Unzufriedenheit aufgrund von vielfältigen Wartesituationen innerhalb der Kliniken (Bain, Kelly, Snadden und Staines 1999), bei Nierentransplantationen (Seidl und Walter 2005) oder bei gastroenterologischen Eingriffen (Eckhardt-Abdulla 2007). An dieser Stelle wird kurz auf einige Ausschnitte der Studien eingegangen.

Der interessierte Leser findet die ausführlichen Daten in der angegebenen Literatur. Handlungsleitende Empfehlungen für Pflegende existierten 2012 nicht. Im Rahmen des Doktorandenkollegs am Department für Pflegewissenschaft der Universität Witten/Herdecke entschloss ich mich daher, unter anderem die nachfolgenden Fragen systematisch zu erforschen:

• Was unterscheidet Alltagswarten (am Flughafen, an der Kasse) vom Warten auf die Operation?
• Wie erleben prämedizierte Patienten vor elektiven Eingriffen das Warten?
• Wie unterscheidet sich das Erleben bei gesetzlich Versicherten und bei Privatpatienten?

Aus dieser Dissertationsstudie ist ein Buch entstanden (Quernheim 2013), aus dem nachfolgend einige Basisdaten aufgeführt werden. Die Forschungsfrage lautete: „Wie erleben Patienten am Tag der geplanten elektiven orthopädischen Operation (z. B. Hüft- oder Knie-TEP, Wirbelsäulen- Eingriffe u. a.) eine OP-Verzögerung oder -Verschiebung?“ Es wurden zwischen Februar 2010 und August 2011 Interviews mit 25 Patienten in zehn Kliniken in vier deutschen Bundesländern geführt. Nachfolgend wird ein kleiner Ausschnitt der Ergebnisse skizziert.

Den meisten Patienten wird der genaue OPZeitpunkt, auch auf ihre Nachfrage hin, nicht genannt. Trotzdem geht die Mehrzahl der Patienten in der Regel davon aus, am Vormittag – wenige rechnen damit bis zum frühen Nachmittag – operiert zu werden. Niemand rechnete mit regulären OP-Laufzeiten bis 23 Uhr.

2.1.1 Durchhalten

Patienten, die auf einen elektiven Eingriff warten, erleben ihre OP-Verzögerung als Durchhalten. Diesem Durchhalten kann sich der Patient nicht entziehen, denn sonst müsste er auf die anstehende Operation verzichten. Während ein Teil der Betroffenen die Situation als das (Zitat2): „Normalste auf der Welt“ beschreibt und ein solches Warten mit „Wellness“ und gelassenem „nichts tun müssen“ gleichsetzt, fühlen sich andere der Klinikinstitution gegenüber hilflos ausgeliefert: „… das war furchtbar und schrecklich“.

Ob der Patient die Verzögerung als positiv oder negativ erlebt, ist dabei von verschiedenen Faktoren abhängig. Zu den Einflussfaktoren gehören die Dauer der OP-Verzögerung, patientenbezogene Bedingungen, wie z. B. der Versichertenstatus, krankheitsbezogene Faktoren, z. B. die präoperative Schmerzsituation und klinikbezogene Bedingungen, z. B. die Prämedikation oder die Dauer der Flüssigkeits- und Nahrungskarenz. „Ja also der Hunger ist gar nicht das Schlimmste an den Tagen, der Durst, das ist viel schlimmer. Weil sie dann kaum noch reden können, weil der Mund so trocken ist, weil sie ja den ganzen Tag nix zu trinken kriegen, […]. Das ist das Schlimmste.“

Die Patienten sprechen mit unterschiedlichen Strategien auf diese Bedingungen an, welche wiederum zu verschiedenen Konsequenzen führen. Abbildung 2-1 zeigt die Zusammenhänge dieses als Wartedramaturgie bezeichneten Prozesses.