Trust Again

von: Mona Kasten

LYX, 2017

ISBN: 9783736302501 , 460 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 9,99 EUR

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Trust Again


 

Kapitel 1


Es war eine Schnapsidee gewesen, im Coffeeshop schreiben zu wollen.

Der absolute Reinfall.

Ich starrte den Typen an, der vor mir stand und mich ansah, als würde er auf eine Antwort auf das warten, was er gerade zu mir gesagt hatte. Keine Ahnung, weshalb er davon ausging, dass ich ihn verstanden hatte. Vielleicht glaubte er, ich besäße die wundersame Begabung, Lippen zu lesen? Meine Kopfhörer hatten den ungefähren Durchmesser einer Pizza und wogen in etwa zehn Pfund. Ich hatte extra ein bisschen mehr Geld investiert, damit auch wirklich kein Geräusch zu mir durchdrang, wenn ich mich beim Arbeiten konzentrieren musste.

Genau deswegen hasste ich es eigentlich, an öffentlichen Orten zu schreiben. Zum einen, weil der Lautstärkepegel nur mit schalldichten Kopfhörern zu ertragen war, und zum anderen, weil man ständig von irgendwelchen Leuten angesprochen oder angerempelt wurde. Ersteres war jetzt gerade der Fall gewesen.

Der Typ war hübsch, keine Frage. Er hatte rotbraunes Haar und schöne braune Augen. Mit seiner Jeans, dem eng anliegenden Shirt, das seine Schultern umspannte, war er wirklich nett anzusehen. Trotzdem breitete sich ein ziemlich unangenehmes Gefühl in mir aus.

Langsam hob ich die rechte Muschel meiner übergroßen Kopfhörer vom Ohr.

»Wie bitte?«, fragte ich und neigte den Kopf zur Seite, um den Typen besser verstehen zu können. In meinem linken Ohr tönte noch immer Halsey in voller Lautstärke.

Der Typ sah durch halb gesenkte Lider auf mich herab. »Du bist oft freitags hier«, sagte er und deutete mit dem Kinn auf mich. »Bist mir schon ein paar Mal aufgefallen.«

Das stimmte, auch wenn es keineswegs eine freiwillige Entscheidung war. Wäre es mir überlassen gewesen, hätte ich den Freitagnachmittag in meinem Zimmer im Wohnheim der Woodshill University verbracht. Aber leider teilte ich mir das Zimmer mit einer Nymphomanin.

»Ja. Hier gibt es guten Kaffee«, murmelte ich. Die Art und Weise, wie der Kerl mich ansah, war mir unangenehm. Als würde er sich etwas von mir erhoffen und die Möglichkeit, dass er es nicht bekommen könnte, gar nicht erst in Betracht ziehen.

Jetzt neigte auch er den Kopf zur Seite. Das Lächeln wurde breiter. »Du trinkst keinen Kaffee. Meistens bestellst du dir eine heiße Schokolade. Aber bald wird es wieder wärmer. Ich bin gespannt, worauf deine Wahl dann fällt.«

Meine Hände wurden feucht, und ich schluckte schwer. Allmählich wurde er mir unheimlich. Immerhin war ich niemand, der sich um einen Platz an der riesigen Fensterfront prügelte, sondern saß meistens in der oberen Etage des Cafés Patriot, ganz weit hinten in einer Ecke mit dem Rücken zum Innenraum. Dieser Platz mit dem kleinen runden Tisch und den abgenutzten Stühlen war wie ein kleines Versteck für mich. Ich hätte nie gedacht, jemand könnte mich dort beobachten.

Es war gruselig.

Beobachtete er mich schon länger? Oh Gott, hatte er womöglich gesehen, woran ich arbeitete?

»Ich würde es gerne herausfinden«, fuhr der Typ fort, seine Stimme eine Oktave tiefer.

Im Ernst. Er versuchte, die Nummer mit der tiefen Stimme und dem Schlafzimmerblick bei mir abzuziehen. Wäre ich ein anderes Mädchen gewesen, hätte es vielleicht funktioniert. Aber ich mied die Gesellschaft des männlichen Geschlechts seit mehr als einem Jahr wie die Pest.

»Ich weiß das Angebot zu schätzen«, fing ich an und strich meinen Pony zur Seite. Er befand sich gerade in dieser nervigen Zwischenphase, während der mir die roten Strähnen wie kleine spitze Geschütze in die Augen piekten. »Aber ich glaube nicht, dass das eine gute Idee ist.«

»Ach, komm«, erwiderte er sofort und zog sich den freien Stuhl vom Nachbartisch in meine Ecke. Er setzte sich verkehrt herum darauf und stützte die Arme auf die Lehne. »Ich bin ein guter Zuhörer.«

Wie kam er denn darauf, dass ich mit ihm reden wollte? Mein Blick huschte für einen kurzen Moment zu meinem Laptop. Ich hatte extra darauf geachtet, die Schriftgröße kleiner einzustellen, und auch das Display war auf eine niedrige Helligkeit eingestellt. Trotzdem juckte es mich in den Fingern, ihn einfach zuzuklappen. Das, was dort stand, war nicht für fremde Augen bestimmt – zumindest jetzt noch nicht.

Mit einer ruckartigen Bewegung drang Grover in mich ein, und ich stöhnte laut. Der animalische Laut, den er dabei ausstieß, ließ mich jetzt schon beinahe kommen.

Nein, am allerwenigsten war das für die Augen dieses gruseligen Fremden bestimmt.

»Welches Fach?«, fragte der Typ und deutete auf meinen Laptop.

Mit einer scheinbar beiläufigen Bewegung klappte ich den Bildschirm zu, gleich danach schob ich die kabellosen Kopfhörer in den Nacken und nahm beide Hände, um meine Haare vorsichtig unter ihnen hervorzuziehen. Dann griff ich meine Tasche vom Boden, um Watson – so hatte ich den gigantischen Laptop getauft, als ich ihn vor knapp drei Jahren gekauft hatte – wieder zu verstauen. Er war riesig mit seinen schätzungsweise einhundert Zoll und wog dementsprechend viel.

Der Typ fasste mich sanft am Arm. »Hey, alles klar. Ich wollte dich nicht verscheuchen, bin schon weg«, sagte er nun in einem beinahe schüchternen Tonfall. »Du sahst nur so ausgeschlossen aus, und da dachte ich …« Unbeholfen zuckte er mit den Schultern.

Okay, jetzt war er nicht mehr ganz so unheimlich.

»Ich finde dich echt nett …« Ich überlegte fieberhaft, ob er mir seinen Namen bereits verraten hatte.

»Cooper«, half er mir aus.

»Cooper«, wiederholte ich mit einem Lächeln. »Wirklich, du wirkst wie ein netter Kerl, aber ich muss jetzt los. Ich habe noch einiges zu tun und kann mich hier irgendwie nicht konzentrieren.« Ich befreite meinen Arm aus seinem Griff und verstaute das Akkukabel im vorderen Fach meiner Laptoptasche.

»Wir könnten es irgendwann wiederholen. Wenn du nicht mehr so viel zu tun hast«, schlug Cooper vor.

Ich unterdrückte ein Seufzen und erhob mich. »Ich bin nicht … interessiert. Tut mir leid.«

Cooper war ebenfalls aufgestanden. Er ließ seine Augen langsam an meinem Körper rauf- und runterwandern. »So hätte ich dich gar nicht eingeschätzt.«

Ich blinzelte perplex. »Wie bitte?«

»Ich meine nur, du siehst aus wie jemand, der gegen ein bisschen Spaß nichts einzuwenden hat.« Sein Blick war plötzlich nicht mehr freundlich, sondern ziemlich abschätzig. »Aber du bist anscheinend total prüde. Schade.«

Innerhalb weniger Sekunden rutschten Coopers zuvor gesammelten Pluspunkte in ein gewaltiges Minus.

»Ich nehme alles zurück, Cooper. Du bist überhaupt kein netter Kerl«, stieß ich hervor und sammelte kopfschüttelnd meine restlichen Habseligkeiten ein. Zum Schluss schulterte ich die schwere Tasche.

»Oder bist du vielleicht lesbisch? Dann hättest du das ja auch gleich sagen können!«

Dieser Typ war unfassbar. »Nicht, dass meine sexuelle Orientierung hierbei irgendeine Rolle spielt, aber nur weil ich nicht mit dir ausgehen will, heißt das noch lange nicht, dass ich nicht auf Männer stehe«, zischte ich und drängte mich an ihm vorbei. »Oder dass ich prüde bin, nur weil ich nicht auf deine Masche mit der tiefen Stimme und dem Ich-beobachte-dich-schon-eine-Weile reinfalle.«

Schneller, als es mit der Tasche hätte möglich sein sollen, hastete ich die Treppe hinunter und stürmte nach draußen.

Tief sog ich die frische Februarluft ein. Es war noch immer ziemlich kalt, und beim Ausatmen traten kleine Wölkchen aus meinem Mund. Ich kramte die gestrickte, khakifarbene Wollmütze aus der Jackentasche und schob sie über den Kopf, bis sie meine Ohren vor dem schneidenden Wind in Woodshill schützte. Nachdem ich auch den Schal über das halbe Gesicht gezogen hatte, ging ich im Kopf meine Möglichkeiten durch.

Ins Wohnheim konnte ich wohl noch nicht zurückkehren. Meine Mitbewohnerin Sawyer hatte wieder einmal Männerbesuch, und ich war schon viel zu oft Zeugin ihrer sexuellen Aktivitäten geworden. Sie war einer der Gründe dafür gewesen, dass ich in teure Kopfhörer investiert hatte. Da mir das Risiko zu groß war, wieder auf einen halbnackten Kerl zu treffen, der gerade den Kopf zwischen ihren Beinen vergraben hatte, traute ich mich nicht nach Hause.

Das Patriot fiel ab sofort als Schreiblocation flach. Solange dieser Widerling noch da war, brachten mich keine zehn Lamas dorthin zurück.

Eine Möglichkeit wäre die Unibibliothek. Heute würde sie erst um zehn schließen, aber für das, woran ich gerade arbeitete, war sie nicht besonders gut geeignet. Zu viele Menschen, die einem im Vorbeigehen auf den Bildschirm schauten.

Ich vergrub die Hände in den Taschen und traf mit den Fingern auf kühles Metall. Meine düsteren Gedanken lichteten sich augenblicklich. Natürlich!

Vor knapp zwei Monaten war meine beste Freundin Allie in ihre neue Wohnung gezogen, die eine knappe Viertelstunde vom Campus entfernt lag. Gleich bei ihrem Einzug hatte sie mir ihren Zweitschlüssel gegeben. Zum einen, weil ich offizielle Tante ihres Katers Spidey war und ihn während ihrer Abwesenheit manchmal füttern musste, und zum anderen, weil Allie über Sawyers rege Aktivitäten im Bilde war. Sie hatte mir angeboten, zu ihr zu kommen, sollte ich mal wieder ausgesperrt werden. Ich hatte mich noch nicht oft getraut, auf dieses Angebot zurückzukommen, aber heute blieb mir keine andere Wahl.

Sofort holte ich mein Handy aus der Tasche und klingelte bei ihr durch. Nachdem ich sie nicht erreichte, schrieb ich...