In den Fesseln des Highlanders

von: Annika Dick

HarperCollins, 2016

ISBN: 9783733785741 , 181 Seiten

Format: ePUB

Kopierschutz: frei

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Preis: 4,99 EUR

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In den Fesseln des Highlanders


 

2. KAPITEL

Rois Castle, April 1429

Sie hatte sich verhört. Sie musste sich verhört haben. Ihr Vater neigte zu unüberlegten Entscheidungen, aber er konnte unmöglich so töricht sein.

„Hast du denn nichts zu sagen, Lileas?“, drängte ihre Mutter sie sanft, während sie ihr zaghaft mit der Hand über den Arm streifte. Lileas sah ihre Mutter ungläubig an. Sie hatte eine Menge zu sagen, doch jedes Wort davon hätte ihren Vater nur verärgert. In den Augen ihrer Mutter erkannte sie die stille Bitte, sich zu fügen, eine gute Tochter zu sein. So, wie es Aileen gewesen war. Lileas ballte die Hände zu Fäusten.

„Was soll sie denn sagen?“, fuhr Duncan seine Frau an. „Ich erwarte nicht ihre Einwilligung, ich erwarte lediglich, dass sie tut, was man ihr sagt.“

„Wie Aileen“, flüsterte Lileas. Duncan fuhr zu ihr herum.

„Wie war das?“

„Die MacKays sind sehr gut aussehende Männer, wie man sagt“, versuchte Senga den drohenden Streit zwischen ihrem Mann und ihrer Tochter im Keim zu ersticken. „Du könntest es schlimmer treffen. Und denk nur, du hast Aileens Tochter an deiner Seite. Du wirst endlich deine Nichte kennenlernen.“

„Vielleicht wird sie sogar in der Lage sein, einen Sohn zur Welt zu bringen, wo ihre Schwester versagt hat.“

Lileas spürte, wie eine unbändige Wut sie überkam. Wie konnte er es wagen, so von Aileen zu reden. Er war schuld daran, dass ihre geliebte Schwester so hatte leiden müssen. Er hatte sie diesem Monster zur Frau gegeben, und nun wollte er das gleiche mit ihr tun.

„Sollen sie mich dann auch töten, wie Aileen?“, platzte es schließlich aus ihr heraus.

Duncans Miene verfinsterte sich.

„Es ist wohl besser, wenn du gar nichts sagst. Vergiss deinen Platz nicht, Lileas. Man soll dich sehen, nicht hören!“

„Was kümmert es dich? Wenn ich erst weg bin, wirst du mich weder sehen noch hören. Du wirst blind und taub sein für die Schmerzen und die Scham, die sie über mich bringen werden. Du wirst dich von mir lossagen, so wie du dich von Aileen losgesagt hast. Jeder wusste, was für ein Ungeheuer ihr Mann ist, und du hast sie ihm überlassen. Wie eine Opfergabe für ein Biest. Du hast dich von Stewart, Arran und Liam losgesagt. Du ignorierst, wofür sie gestorben sind, und nun sagst du dich von mir los. Ich bete zu Gott, dass es Neacel besser ergehen möge.“

Schmerzen. Ihre Wange, ihr Kopf, ihr Kiefer. Alles wurde von einem gleißenden Schmerz durchflutet. Ihr Blut dröhnte in den Ohren, während sich ein Fiepen in ihrem rechten Ohr festsetzte. Zitternd hob Lileas die Hand an ihre rechte Wange. Sie hatte ihren Vater so oft wütend gesehen, war so oft Zeugin geworden, wie seine Wut einen ihrer Brüder traf, doch noch nie hatte er sie geschlagen. Bisher war es ihr stets gelungen, sich seinem Zorn zu entziehen.

„Wage es nicht, noch einmal so mit mir zu reden“, drohte Duncan ihr und Lileas trat einen Schritt zurück, als sie den blanken Hass in seinen Augen sah.

„Deine Brüder sind gestorben, weil deine Schwester zu schwach zum Leben war. Ich werde nicht noch einmal alles für ein Weibsbild riskieren.“ Mit diesen Worten ließ Duncan sie und ihre Mutter allein. Senga eilte zu ihr und streckte vorsichtig eine Hand nach ihrer glühenden Wange aus. Lileas schmeckte Blut, als sie mit der Zungenspitze über ihre Lippen fuhr.

„Senga!“, rief Duncan aus dem Gang. Seine Frau beeilte sich, seinem Ruf zu folgen und ließ Lileas allein zurück.

Sie zitterte noch immer, als die Schritte ihrer Eltern längst nicht mehr zu hören waren. Langsam durchquerte sie ihr Gemach und schüttete etwas Wasser aus einem Krug in eine Schale, um sich das Blut von den Lippen zu waschen und das Gesicht zu kühlen. Tränen brannten in ihren Augen, und sie bemühte sich, sie zu unterdrücken. Sie würden ihr ohnehin nicht helfen. Sie ließ sich auf die Knie sinken und verbarg ihr Gesicht in den Händen. Wie konnte das Schicksal nur so grausam zu ihr sein?

***

„Du siehst so aus, als würdest du zur Ehe gezwungen – schon wieder – und nicht Malcolm“, neckte Alistair seinen ältesten Bruder leise, als sie sich auf den Burghof trafen, auf dem sich die meisten Clanmitglieder versammelt hatten.

„Nicht, dass ich Malcolms Entscheidung und die Opfer, die er damit bringt, nicht zu würdigen wüsste, aber ich würde eine erzwungene Ehe der Verkündung selbiger vorziehen“, raunte Ramsay zurück.

„Ich hoffe für dich, dass du das nur sagst, weil du damit meinst, du würdest eine erzwungene Ehe mit mir der Verkündung der Friedensverhandlungen vorziehen.“

Malcolm beobachtete Ramsay und Caitriona, und für einen Augenblick regte sich der Zweifel über seine Entscheidung. Er schüttelte ihn ab, als Mòrag eine Hand auf seinen Arm legte und ihm ermutigend zulächelte.

„Lass sie reden. Gottes Wege sind unergründlich. Wer weiß, vielleicht ist dies seine Art, dir die Braut zu bescheren, die wie für dich gemacht ist.“

Malcolm nahm die Hand seiner Mutter in seine und küsste sie.

„Du musst dir um mich keine Sorgen machen, Mutter. Ich bin ein großer Junge, und ich wusste, worauf ich mich einlasse, als ich den Verhandlungen zugestimmt habe. Solange es Frieden für unseren Clan bedeutet, bin ich bereit, selbst die schlimmste Braut für mich zu ertragen.“

Mòrags Lächeln wirkte trauriger, und Malcolm wandte sich hastig von ihr ab, ehe sie etwas sagen konnte, das seine Entscheidung ins Wanken brachte. Jetzt einen Rückzieher zu machen und Duncan Aitken zu unterrichten, dass es doch keine Hochzeit gäbe, würde noch schlimmere Racheakte mit sich bringen.

„Die Leute werden ungeduldig“, flüsterte Malcolm an Ramsay gewandt. Ob er damit die versammelten Clanmitglieder oder doch eher sich selbst meinte, konnte er selbst nicht genau sagen. Ramsay nickte und rief den Clan zur Ruhe.

„Wie einige von euch mitbekommen haben, kam vor zwei Wochen ein Bote der Aitkens nach Varrich Castle, der einen Brief von Duncan Aitken für mich hatte.“

Gemurmel erhob sich unter den Wartenden, und Malcolm sah, wie sich einige Gesichter bei der bloßen Erwähnung des Namen Aitkens verdüsterten.

„Er bat darin um Friedensverhandlungen, die wir daraufhin aufnahmen.“ Ramsay sprach lauter, um über das ansteigende Gemurmel gehört zu werden. „Die Verhandlungen sind zu einem positiven Ende gekommen. Aitken verpflichtet sich, das jüngst gestohlene Vieh herauszugeben und Reparationen zu leisten. Außerdem …“ Während Ramsay Luft holte, ließ Malcolm seinen Blick über die Anwesenden gleiten. Gleich wäre er derjenige, den alle anstarrten. Bereits jetzt war der Unmut unter einigen der Anwesenden deutlich zu spüren. „Außerdem wird Duncans Tochter Malcolm heiraten. Eine erneute Verbindung der Aitkens und der MacKays soll künftige Kampfhandlungen bereits jetzt unterbinden.“

Für einen Moment schienen alle zu schweigen. Dann jedoch tobte die Menge und alle riefen wild durcheinander.

„Wollt ihr weiterkämpfen?“, schrie Ramsay ihnen schließlich entgegen. „Wollt ihr weiter euer Leben riskieren? Das eurer Familien? Wollt ihr eure Häuser, euer Vieh, eure Ernten riskieren? Wir können das jetzt friedlich beenden, ohne noch mehr unserer Männer beerdigen zu müssen.“

„Wen habt ihr schon beerdigt?“, fuhr einer der Männer Ramsay an. Malcolm erkannte Logan MacKay, als er aus der Menge hervortrat.

„Jeder von uns hat Freunde und Familienmitglieder verloren, Logan“, versuchte Ramsay ihn zu beschwichtigen.

Logan spuckte auf den Boden.

„Diese Aitken-Schweine haben unsere Farm angegriffen, als kein Mann in der Nähe war. Meine Frau und meine drei Kinder habe ich beerdigen müssen. Und jetzt wollt ihr diese elenden Hunde hier willkommen heißen und sie in eure Familie aufnehmen? Reicht der kleine Bastard noch nicht, den ihr aufgenommen habt?“

„Hüte deine Zunge, Logan“, warnte Ramsay. Wie sehr Logans Leben gerade in Gefahr war, ahnte der Mann sicher nicht. Malcolm jedoch erkannte, wie es um Ramsays Gemütszustand bestellt war. Seine Stimme war zu ruhig, während in seinen Augen die blanke Wut sichtbar war.

„Sie ist doch Schuld an allem! Hättet ihr den Aitkens das Kind übergeben, würden alle anderen noch leben! Meine Frau würde noch leben, meine Kinder. Ihr handelt einen faulen Frieden für uns aus, für den wir alle am Ende bezahlen werden. Aber nicht mit mir.“

Plötzlich ging alles schrecklich schnell, als Logan seinen Dolch nahm und auf Ramsay zustürzte. Ohne nachzudenken stellte sich Malcolm in seinen Weg. Ehe die Klinge ihn treffen konnte, griff jemand nach Logans Arm und zog ihn zurück.

„Mach dich nicht unglücklich, Junge“, raunte Keir MacKay seinem Sohn zu und zog ihn von Malcolm weg.

„Schaff ihn hier weg“, befahl Ramsay. Keir nickte und zog den sich sträubenden Logan mit sich.

„Gibt es noch jemanden, der etwas gegen die Friedensverhandlungen mit den Aitkens einzuwenden hat?“, rief Ramsay den versammelten MacKays zu. Schweigen traf ihn, was er schließlich nickend zur Kenntnis nahm und die Versammlung beendete.

„Malcolm, geht es dir gut?“ Mòrag sah ihren Sohn besorgt an.

„Es geht mir gut“, versicherte Malcolm seiner Familie.

„Logan ist nicht der Einzige, der etwas gegen diese Hochzeit einzuwenden hat.“

„Die nächsten Monate werden alles andere als langweilig“, stimmte Alistair Ramsay zu.

***

Ihre Mutter überwachte das Packen der Truhe, die alles...