Diagnostik von Suizidalität

von: Thomas Forkmann, Tobias Teismann, Heide Glaesmer

Hogrefe Verlag GmbH & Co. KG, 2015

ISBN: 9783840926396 , 164 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 21,99 EUR

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Diagnostik von Suizidalität


 

3 Screeninginstrumente und Checklisten (S. 37-38)

Der erste und zunächst auch wichtigste Schritt bei der Diagnostik von Suizidalität ist ein Screening auf das Vorliegen suizidaler Gedanken, Wünsche oder Handlungen. Hierzu bedarf es möglichst kurzer, sensitiver und spezifischer sowie valider und reliabler Instrumente, die mittels weniger Fragen Patienten mit einem erhöhten Suizidrisiko identifizieren können. In diesem Kapitel wird eine Auswahl an Verfahren zum Screening und zur Früherkennung von Suizidalität vorgestellt. Alle ausgewählten Verfahren sind relativ kurz und wurden in Studien und in der klinischen Praxis zu Screeningzwecken eingesetzt. Allerdings sind die meisten verfügbaren Instrumente mit psychometrischen Einschränkungen behaftet; kaum eines vereint alle genannten wünschenswerten Aspekte auf sich. Im zweiten Teil dieses Kapitels wird zudem eine Auswahl international gebräuchlicher Checklisten vorgestellt. Deren Einsatz zur Abschätzung des Suizidrisikos sollte wohlüberlegt sein und das Zurückgreifen auf alternative oder ergänzende diagnostische Zugänge erwogen werden, wie in der zusammenfassenden Beurteilung (vgl. Kap. 3.3) der in diesem Kapitel beschriebenen Instrumente dargelegt wird.

3.1 Screeninginstrumente

3.1.1 Paykel Suicide Items (PSI)

Die Paykel Suicide Items (PSI; Paykel, Myers, Lindenthal & Tanner, 1974) sind eine Sammlung von fünf Fragen, die, von einem diagnostischen Interviewer gestellt, Suizidalität in aufsteigender Schwere erfassen. Die ersten beiden Fragen erfassen dabei passive Suizidgedanken/Todesgedanken (z. B. Item 1: „Hatten Sie jemals das Gefühl, das Leben sei nicht lebenswert?“), die Fragen 3 und 4 aktive Suizidgedanken (z. B. Item 3: „Haben Sie jemals daran gedacht, sich das Leben zu nehmen, auch wenn Sie es nicht wirklich tun würden?“) und Frage 5 vergangene Suizidversuche („Haben Sie jemals versucht, sich das Leben zu nehmen?“). Die fünf hierarchisch organisierten Fragen werden von den Patienten mit „ja“ oder „nein“ beantwortet und sind ursprünglich nicht als eine gemeinsame Skala konzipiert worden, wenngleich sie vereinzelt bereits in dieser Form eingesetzt wurden (Meneese & Yutrzenka, 1990). In ihrer ursprünglichen Form beziehen sich die Fragen auf die gesamte Lebenszeit. Es wurden aber auch verschiedentlich andere Bezugszeiträume gewählt, so z. B. der letzte Monat (Nazem et al., 2008). Grundsätzlich sind die Fragen bei allen erwachsenen Personen zu Screeningzwecken einsetzbar und beanspruchen nur wenige Minuten Bearbeitungszeit.

Empirische Erfahrungen bestehen bisher mit amerikanischen Allgemeinbevölkerungsstichproben (Paykel et al., 1974), körperlich erkrankten Patienten (Nazem et al., 2008) sowie insbesondere mit Stichproben des höheren Lebensalters (Maust et al., 2011; Skoog et al., 1996; Van Orden, Simning, Conwell, Skoog & Waern, 2013; Van Orden et al., 2014). Bisher wurden nur sehr wenige Befunde zur psychometrischen Qualität der PSI veröffentlicht. Die grundsätzliche Validität des Instrumentes stützen Daten aus der initialen Studie von Paykel und Kollegen (1974), die berichten, dass diejenigen Personen aus der Allgemeinbevölkerung, die irgendeiner der fünf Fragen der PSI zugestimmt haben, eher sozial isoliert waren, mehr somatische und psychische Symptome erlebten und mehr negative Lebensereignisse im vergangenen Jahr berichteten, als die Personen, die keiner der fünf Fragen zustimmten. Suizidgedanken, gemessen mit den PSI, wurden bei an Parkinson erkrankten Patienten von dem Ausmaß depressiver Symptome vorhergesagt (Nazem et al., 2008). In einer skandinavischen Studie an 345 Personen, die älter als 85 Jahre waren, fand sich eine deutlich erhöhte Mortalitätsrate bei Frauen, die Suizidgedanken in den PSI angaben, im Vergleich zu denjenigen, die keine Suizidgedanken berichteten (Skoog et al., 1996). Außerdem zeigte eine zweite Analyse der Daten dieser Stichprobe, dass Todesgedanken mit Depressivität und Angst assoziiert waren (Van Orden et al., 2013). Bisher liegen keine Angaben zur prädiktiven Validität der PSI im Hinblick auf einen vollzogenen späteren Suizid sowie zur Reliabilität, Objektivität oder Normierung des Instrumentes vor. Die englischen Originalitems finden sich bei Paykel et al. (1974). Eine deutsche Version der PSI ist derzeit in Vorbereitung.

3.1.2 Beck Depression Inventory (Suizidalitätsitem-BDI)

Häufig wird für Screeningzwecke auf einzelne Items aus umfassenderen Selbstbeurteilungsinstrumenten zur Erfassung von Depressivität zurückgegriffen. Ein häufig verwendetes Item ist z. B. das Suizidalitätsitem des Beck Depression Inventory (BDI), bzw. seiner revidierten und aktualisierten Fassung BDI-II (Beck, Steer & Brown, 1996). Das BDI ist ein 21 Items umfassendes Selbstbeurteilungsinstrument, das Depressivität dimensional bezogen auf die letzte Woche (BDI) bzw. in Anlehnung an DSM-IV bezogen auf die letzten 2 Wochen (BDI-II) erfasst.