Und wenn sie nicht gestorben sind...: Die Darstellung von Tieren in der Romantik anhand der Brüder Grimm und E.T.A. Hoffmann

von: Bianca Elser

Bachelor + Master Publishing, 2015

ISBN: 9783955496098 , 85 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 19,99 EUR

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Und wenn sie nicht gestorben sind...: Die Darstellung von Tieren in der Romantik anhand der Brüder Grimm und E.T.A. Hoffmann


 

Textprobe: Kapitel 3.1, Zur Methodik der Tiertabellen: Die Gestaltung der Tiere wurde in der Märchenforschung bis jetzt nur begrenzt analysiert. Sie konzentrierte sich meist auf die Untersuchung eines bestimmten Tieres, wie auf den Fuchs oder auf ein bestimmtes Märchen. Den Anstoß zur Tierforschung gaben wohl Antti Aarne und Stith Thompson, die mit ihrer Charakteristik erste Abgrenzungen vornahmen. Hier wurden die Tiere jedoch nur nach ihrer Art untergliedert und diese im Vergleich zu anderen europäischen Märchen analysiert. Dabei wurde festgestellt, dass bestimmte Märchenstrukturen auch bestimmte Tiere aufweisen. Auf diesen Ansatz baut diese Arbeit auf, die Tiere werden ebenfalls in Tabellen aufgeführt, jedoch sind die Tabellen nach dem Hauptthema des Märchens ausgerichtet. Wie die 'Mensch-Tier-Verwandlung' oder 'Tiere unter Menschen'. Rudolf Schenda arbeitete in seiner Monographie 'Das ABC der Tiere' die anthropologischen und kulturellen Hintergründe der jeweiligen Tiere heraus und veranschaulichen damit die Entwicklung des Tier-Mensch-Verhaltens. Diese spezielle Beziehung zwischen Mensch und Tier wird auch in der Tabelle genauer untersucht, dabei wird auch auf die Beziehung zwischen den Tieren untereinander eingegangen. Wie im Einzelnen die Tabellen aufgebaut sind, zeigen die beiden nächsten Abschnitte. 3.1.1, Funktion und Rolle der Tiere: Im Märchen tritt das Tier entweder als Hauptakteur oder als Nebenakteur auf. Den Status als Hauptakteur erhalten die Tiere, die sich durch ihr Handeln und ihr Verhalten von den anderen Tieren oder dem Menschen abheben. Der Nebenakteur ist dagegen ein Tier, das dem Hauptakteur (Mensch/Tier) zur Seite gestellt wird und in der Handlung aktiv auftritt. Eine andere Art des Nebenakteurs ist der Gegenspieler, ein Tier, welches sich gegen den Hauptakteur zu behaupten versucht, wie beispielsweise der Wolf bei Rotkäppchen. Da die Tabelle nur die Tiere aufführt und diese hervorhebt wird der Status des Menschen durch die Mensch-Tier-Differenz verdeutlicht. Manche Tiere werden zwar im Märchen genannt, ihnen wird allerdings keine Rolle zugewiesen. Trotz dieser Rollenlosigkeit können diese Tiere in seltenen Fällen einen Status einnehmen, sie können einen Auslöser oder ein Lockmittel mimen oder zum Schutz dienen. Mit dem Status Auslöser bringt das Tier die Handlung ins Rollen, wie Der goldene Vogel (KHM 57) nachdem der König suchen lässt, weil er ihm habhaft werden will. Tiere können auch als Lockmittel eingesetzt werden, Hirsche nehmen diesen Status des Öfteren ein (KHM 60) und locken den Menschen in eine gefährliche Situation. Tiere, die dem Schutz dienen, werden vom Menschen getötet, der ihre Organe als menschliche Organe ausgibt, um damit den menschlichen Hauptakteur vor dem Tode bewahrt (KHM 53). Neben dem unterschiedlichen Status werden die Tiere in eine Zugehörigkeit eingeteilt, entweder gehören sie in die Umgebung des Menschen und zu dessen Haus - Inventar (Mäuse und Fliegen werden in dieser Arbeit als Zugehörige vom Haus angesehen.) oder sie gehören in die Wildnis der Wälder, Gewässer und Lüfte. In den Märchen, in denen die Mensch-Tier- und die Tier-Tier-Differenz besonders hervorgehoben wird, unterscheidet die Tabelle zudem ob das Tier, den anderen Figuren unter- oder überlegen ist. Durch diese erste Unterteilung der tierischen Rollen soll der spätere Vergleich zwischen den Tieren im Volksmärchen und dem Kunstmärchen vereinfacht werden. Die Bildung zweier Gruppen ermöglicht im Folgenden auch eine Untersuchung im Miteinander der Tiere. 1988 fand ein Kongress der Europäischen Märchengesellschaft mit dem Thema 'Tiere und Tiergestaltige im Märchen' statt, der das Märchenmotiv Tier auf seine Funktion im Märchen hin behandelte. Hildegunde Wöller setzte sich dabei mit den helfenden Tieren auseinander und Hermann Bausinger mit den moralischen Tieren, deren Überlegungen hier zum Teil mit eingearbeitet werden. Aufbauend auf diese Funktionen der Tiere wurden in der vorliegenden Arbeit weitere Funktionen festgestellt, wie: das listige Tier, das lasterhafte Tier, das verwunschene Tier, das Zaubertier und das Ursprungstier. Wöller baut ihre Arbeit auf die These von Lutz Röhrich auf, dass das Motiv des helfenden Tieres auf die Erinnerung an eine längst vergangene Epoche der Menschheitsgeschichte hinweist, in der es keine Niveauunterschiede zwischen Mensch und Tier gab, sondern sie auf einer gemeinsamen Ebene respektvoll miteinander umgingen. Der Anlass zur Hilfe wird unterschiedlich ausgelöst, in vielen Fällen hilft das Tier aus Dankbarkeit, weil der Mensch dessen Leben verschont oder gerettet hat. In anderen Fällen hilft das Tier freiwillig ohne bindenden Zwang, wie die Vögel bei Aschenputtel. Die Beobachtung, die Wöller gemacht hat und von der vorliegenden Arbeit unterstützt wird, ist, dass die helfenden Tiere der menschlichen Heldin freiwillig zur Hilfe kommen und dem menschlichen Helden meist aus Dankbarkeit helfen. In seltenen Fällen hilft das Tier dem Menschen unabsichtlich, in dem es sein Wissen äußert und dabei vom Menschen belauscht wird. (KHM 6) Das helfende Tier kann somit aktiv, als auch passiv fungieren. Die Funktion des helfenden Tieres kann jedes Tier übernehmen. Es fällt jedoch auf, dass, wenn es sich um eine Gruppe von helfenden Tieren handelt, die Tiere den unterschiedlichen Elementen von Luft, Erde und Wasser zuzuordnen sind. Diese elementare Zuordnung wird in den Tabellen durch farbige Akzente verdeutlicht. Im Märchen helfen Tiere nicht nur dem Menschen, sondern in einigen Fällen helfen sie sich gegenseitig, wie im Märchen Der Fuchs und das Pferd. Der Fuchs hilft dem Pferd einen Löwen zu fangen, damit dieses nicht von seinem Menschen verstoßen wird. Interessant an dieser Konstellation ist, dass die beiden Tiere sich in ihrer natürlichen Form eher meiden würden. Von Bausinger dagegen leiht sich diese Arbeit nur den Begriff des moralischen Tieres, da seine Ansichten, dass ein moralisches Tier nur ein Mensch im Tierkörper sein kann und kein natürliches Tier, da diese nicht zum moralischen Handeln fähig seien, nicht geteilt werden können. Der in dieser Arbeit verwendete Begriff der Moral stammt aus der Definition: 'Die Moral ist die Gesamtheit von ethischen-sittlichen Normen, Grundsätzen, Werten, die das zwischenmenschliche Verhalten in einer Gesellschaft regulieren, die von ihr als verbindlich akzeptiert werden.' Das moralische Tier nimmt somit die Funktion als Hüter der Verhaltensrichtlinien ein und weist den Menschen (oder in manchen Fällen ein anderes Tier) durch sein Handeln auf dessen falsches Benehmen hin. Der alte Sultan (KHM 48) ist hier ein geeignetes Beispiel, es zeigt dass ein Tier zwischen Recht und Unrecht unterscheiden kann. Der Hund kann dank des Wolfs länger bei seinem Herren bleiben, als aber der Wolf als Gegenleistung ein Schaf seines Besitzers fressen will, handelt der Hund moralisch und hält an der Treue zu seinem Herren fest. Der Wolf muss sich geschlagen geben. Ebenso der Hund Sultan in Das fremde Kind, der nicht nur seinem Spielgefährten Felix zur Hilfe (helfendes Tier) kommt, als dieser vom Magister Tinte angegriffen wird, sondern er weist mit seinem Eingreifen auch auf das hier geschehene Unrecht hin und handelt somit moralisch (moralisches Tier). Im Gegensatz zu den helfenden und moralischen Tieren, die zumeist eine positive Funktion übernehmen, gibt es auch Tiere, die sich eher durch ihre Negativität auszeichnen. Dazu gehören das listige und das lasterhafte Tier. Das listige Tier ist vorwiegend auf seinen Vorteil aus und hintergeht dafür auch andere Tiere und Menschen. Listige Tiere können aber auch durch ihre List und Klugheit anderen Tieren behilflich sein, meist zum Nachteil für den Menschen. Sie betrügen, um für sich einen Vorteil zu verschaffen, wie die Katze im KHM 2. Im Kunstmärchen treten im engeren Sinn keine listigen Tiere auf. Die Tiere, die gegen eine der sieben Todsünden (Hochmut, Geiz, Wollust, Zorn, Völlerei, Neid und Faulheit) verstoßen, wurden in dieser Arbeit als die lasterhaften Tiere bezeichnet. Sie frönen ihrem Laster bis zum Äußersten und werden letztlich immer zu Fall gebracht, wenn nicht sogar getötet. Wie der gefräßige Wolf in Rotkäppchen (KHM 26) oder der rachsüchtige Mausekönig im Nußknacker und Mausekönig. Das Ende des lasterhaften Tieres unterscheidet sich vom listigen Tier. Dieses handelt zwar auch aus Selbstsucht, ist aber schlussendlich das triumphierende Tier und geht immer gewinnend aus dem Märchen hervor. Das verwunschene Tier bezeichnet im engeren Sinne kein natürliches Tier, sondern einen Menschen, der in ein Tier verwandelt wurde. Das Zaubertier dagegen kann sowohl ein Mensch sein, der sich aus eigener Kraft in ein Tier verwandeln kann und auch wieder zurück oder es handelt sich dabei um ein natürliches Tier, das eine magische Fähigkeit besitzt, wie der Goldesel im KHM 36. In den Kunstmärchen von Hoffmann treten häufig Zaubertiere auf, die aus der jenseitigen Welt stammen und im Diesseits nach Schutz suchen oder der Liebe wegen zugezogen sind. (Der goldene Topf; Klein Zaches; Meister Floh) Sie gehören einer eigenen Welt an, in der sie Fürsten und Könige von Tieren und Elementen und mit der Natur sehr eng verbunden sind. Als Ursprungstier werden in der vorliegenden Arbeit die Tiere bezeichnet, deren ethnologische Herkunft oder ein körperliches Merkmal mithilfe des Märchens erklärt wird. Dieser spezielle Fall tritt in den Grimm'schen Märchen selten auf, genau genommen handelt es sich dabei um fünf Märchen, die Bezug auf den Ursprung des Tieres nehmen. Es wird dabei meist auf die Herkunft eines körperlichen Merkmals eingegangen, dass sich meist aus einer Tugendlosigkeit entwickelt hat. Ein Ursprungstier kann damit auch gleichzeitig ein lasterhaftes Tier sein. Auf diese Einteilung in die Funktionen der Tiere im Märchen basiert die weitere Untersuchung, in der die Gestaltung der Tiere im Volksmärchen und im Kunstmärchen verglichen wird. Durch ihre verschiedenen Funktionen werden die Tiere in sieben Gruppen eingeteilt, dies ermöglicht eine genauere Betrachtung auf die inhaltliche Struktur der Märchen. In den angefügten Tabellen kann man die jeweiligen Funktionen herauslesen, die Märchen sind dabei nach einem bestimmten Schema geordnet, das im Folgenden erläutert wird.