Prognoserechnung

von: Peter Mertens, Susanne Rässler

Physica-Verlag, 2005

ISBN: 9783790816068 , 512 Seiten

6. Auflage

Format: PDF, OL

Kopierschutz: Wasserzeichen

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Preis: 76,99 EUR

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Prognoserechnung


 

14 Prognose uni- und multivariater Zeitreihen (S. 239)

von Manfred Deistler und Klaus Neusser

14.1 Einführung

Zeitlich ablaufende zufällige Vorgänge können durch stochastische Prozesse modelliert werden. Insbesondere ist es in diesem Rahmen möglich, Unsicherheit über die Zukunft zu beschreiben. Für stationäre Prozesse wurde bereits vor ca. 60 Jahren eine elegante Prognosetheorie von Kolmogorov [26] und Wiener [39] entwickelt. Ein weiterer wesentlicher Beitrag geht auf Kaiman [25] zurück. Diese Theorie behandelt die lineare Kleinst-Quadrate-Prognose unter der Voraussetzung, dass die zweiten Momente des zugrunde liegenden Prozesses bekannt sind. In den meisten Fällen sind diese zweiten Momente jedoch nicht bekannt und müssen geschätzt werden, sodass das Prognoseproblem mit einem Identifikationsproblem einhergeht.

Die Theorie der linearen Kleinst-Quadrate-Prognose stationärer Prozesse bei bekannten zweiten Momenten und die Theorie der Identifikation von AR-, ARMA- und Zustandsraumsystemen stellen die beiden Herzstücke der theoretischen Analyse des Prognoseproblems dar. Unsere Darstellung beschränkt sich auf diese lineare Kleinst-Quadrate-Prognose und die Identifikation von linearen dynamischen Systemen. Nichtlineare Prognosefunktionen und von den quadratischen abweichende Kostenfunktionen werden demnach nicht behandelt, wenn es nicht ausdrücklich erwähnt ist. Die Praxis hat gezeigt, dass diese linearen Ansätze auch bei offensichtlich nichtlinearen Mechanismen erstaunlich erfolgreich sind.

In der Praxis müssen bei der Entwicklung von Prognosealgorithmen der Verwendungszweck, die vorhandenen a priori Informationen und die spezifischen Besonderheiten der Daten berücksichtigt werden. Was die Verwendung betrifft, so sind unter anderem zu überlegen: die Fristigkeit, die gewünschte Genauigkeit, die sich auch im Aufwand für die Modellierung niederschlägt, und der erforderliche Rechenaufwand. Im Speziellen kann man zwei Extremfälle unterscheiden: zum einen schnell verfügbare, relativ ungenaue Prognosen, bei denen auf eine detaillierte Modellierung der Daten weitgehend verzichtet wird. Solche Verfahren könnte man als „automatisierte Kurvenlineale" bezeichnen. Sie finden z. B. in der Absatzprognose Verwendung (siehe Abschnitt 14.8). Zum anderen Prognosen, bei denen eine möglichst hohe Genauigkeit erwünscht und daher eine detaillierte und zeitaufwändige Modellierung der Daten angezeigt ist. Ein Beispiel hierfür liefert die Prognose der Industrieproduktion (vgl. Abschnitt 14.7). In vielen Fällen stehen zusätzlich a priori Informationen zur Verfügung, die aber im Bereich der Wirtschaftswissenschaften, im Gegensatz zu vielen Anwendungen in den Naturwissenschaften oder den technischen Wissenschaften, oft unpräzise oder schwer quantifizierbar sind. Andererseits ist die Information aus den Daten in vielen Fällen alleine nicht ausreichend. In der Entscheidung über Art und Ausmaß der verwendeten a priori Information zeigt sich ganz wesentlich die Kunst des Prognostikers. Abschnitte 14.7 und 14.8 bieten konkrete Beispiele für die bei der Prognose auftretenden Überlegungen und Vorgangsweisen.