Evozierte Potenziale - SEP - VEP - AEP - EKP - MEP

von: Manfred Stöhr, Johannes Dichgans, Ulrich Büttner, Christian W. Hess

Springer-Verlag, 2005

ISBN: 9783540266594 , 635 Seiten

4. Auflage

Format: PDF, OL

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Preis: 36,99 EUR

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Evozierte Potenziale - SEP - VEP - AEP - EKP - MEP


 

7 Ereignis-korrelierte Potenziale (EKP) (S. 501)

7.1 Einleitung
Ereignis-korrelierte Potenziale (EKP, engl. »event-related potentials«, ERP) sind hirnelektrische Korrelate konzertierter neuronaler Aktivität. Im klassischen Sinne stellen sie hirnelektrische Spannungsfluktuationen über die Zeit dar und bestehen aus einer Reihe von negativen und positiven Spannungsänderungen relativ zu einer Ruhespannung (»baseline «) vor Beginn des Ereignisses.

Die Maxima und Minima der EKP (in Anlehnung an die internationale Literatur häufig auch im Deutschen als »peaks« bezeichnet) werden für die gängigen Potenziale mit einem Buchstaben und einer dazu gehörigen Zahl bezeichnet. Der Buchstabe ist üblicherweise ein »N« für negativ oder ein »P« für positiv, die Zahl gibt ungefähr die Latenz an, mit der ein Peak nach Beginn des Ereignisses auftritt.

Die EKP und ihre systematische Erforschung sind eng an die psychophysiologische Forschung gebunden. Bereits für Hans Berger war der Glaube an eine materielle Grundlage der »psychischen Energie« die Triebfeder, die ihn zur Entdeckung des menschlichen Elektroenzephalogramms (EEG) geführt hat. Die EKP sind in aller Regel von niedrigerer Amplitude (z. B. 5–10 µV) als das originale EEG (30–60 µV), so dass sie in den Roh-EEG-Daten (in den sog. Einzeldurchläufen) meist nicht zu erkennen sind. Ganz entscheidend für das Gewinnen reliabler EKP-Daten ist dementsprechend die Steigerung des Signal-Rausch-Verhältnisses durch Mittelung. Mittelung der Einzeldurchläufe des EEG erfolgt synchronisiert mit einem Trigger, mit dem üblicherweise der Beginn des Ereignisses von Interesse markiert wird. Diese Technik wird auch (engl.) »averaging« genannt und wird heute generell mit digitalisierten (A/D-gewandelten) EEGDaten durchgeführt. Die Technik ist aufwändig und stellt hohe Qualitätsanforderungen an Versuchsaufbau, Kontrolle der Reiz- und Ableiteparameter und Mitarbeit der Probanden, so dass sich die EKP trotz ihrer langen Präsenz in den Neurowissenschaften nicht zu einer klinischen Routinemethode entwickelt haben. Ihr Einsatz ist auf wenige spezifische klinische Fragestellungen bei einzelnen Krankheitsbildern beschränkt und wird jeweils im Zusammenhang mit dem beschriebenen EKP-Typ nachfolgend beschrieben. Ein Beispiel ist der Einsatz der sog. P300, um bei Patienten mit Vigilanzstörungen Hinweise auf residuale kognitive Funktionen zu erhalten.

Um so größer ist die Bedeutung der EKP für wissenschaftliche Fragestellungen. Sie sind fester Bestandteil im Spektrum moderner funktioneller Neuroimaging-Methoden. Gegenüber Techniken wie der funktionellen Kernspintomographie (fMRT) oder Positronen-Emissions-Tomographie (PET) haben EKP zwei entscheidende Vorteile:

1. Sie repräsentieren ein direkteres Maß für neuronale Aktivierung, da sie unmittelbar aus den aufsummierten exzitatorischen postsynaptischen Potenzialen der apikalen Dendriten von Pyramidenzellen entstehen und nicht von Variablen der neurovaskulären Kopplung beeinflusst werden.

2. ihre Zeitauflösung liegt im Millisekundenbereich, entspricht einer Echtzeit-Darstellung neuronaler Aktivität und ist damit geeignet, rasche Änderungen neuronaler Aktivität authentisch abzubilden.

Diese Vorteile bezahlt man bei den EKP mit einer relativ schlechten räumlichen Auflösung. Die prinzipielle Einschränkung resultiert hier aus Ambiguität von Lösungen des sog. »inversen Problems«. Gemeint ist, dass von elektrischen Feldern an der Kopfoberfläche nie mit letzter Sicherheit auf die zugrunde liegenden elektrischen Generatoren zurückgeschlossen werden kann. So ist es möglich, dass eine kleine Population von Neuronen, z. B. in der Tiefe der sylvischen Fissur, mit hoher Amplitude elektrisch aktiv ist und dadurch ein elektrisches Feld über der betreffenden Hemisphäre erzeugt, das nicht von einem Feld unterschieden werden kann, welches von einer distribuierten Schicht kortikaler Neurone im Bereich der Hemisphärenkonvexität erzeugt wird. Dieses Problem kann durch Steigerung der Zahl der abgeleiteten Kanäle reduziert, jedoch nie ganz eliminiert werden.